Hitzschlag: Ein Fall für Heller und Verhoeven (German Edition)
beiden gab. Er besuchte sie täglich, trotzdem wirkte seine Frau auf mich vollkommen eingeschüchtert, beinahe verschreckt, sobald er auftauchte. Sie entspannte sich erst, wenn er wieder weg war.‹«
»Für diese arme Krankenschwester wird das unter Garantie ein Nachspiel haben«, brummte Bredeney. »Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie wollte, dass das zitiert wird.«
»Bestimmt nicht«, stimmte Verhoeven ihm zu. »Wahrscheinlich hat sie gedacht, sie plaudern einfach nur ein bisschen. Diese Jo Ternes gehört mit Sicherheit zu den Journalisten, die es ganz ausgezeichnet verstehen, ihren Gesprächspartnern Dinge zu entlocken, die diese eigentlich gar nicht preisgeben wollen.«
Allerdings, dachte Winnie Heller bitter.
»Wie auch immer, wir graben uns da noch mal rein«, versprach Bredeney.
»Und wir beide«, Verhoeven sah sich nach seiner Partnerin um, »übernehmen heute Nachmittag wie geplant die Beerdigung? «
Sie nickte, auch wenn sie die Frage nicht recht verstand. Immerhin warteten sie seit Tagen auf diese Gelegenheit. »Klar«, sagte sie. »Nachdem heute früh nun auch noch so überaus passend dieser Artikel erschienen ist, wird die Stimmung bestimmt bombig.«
Verhoeven lächelte matt. »Tja«, sagte er. »Ich schätze, da haben Sie recht.«
»Nehmt’s mit Humor, Leute«, scherzte Bredeney. »Begräbnisse sind immer ein Spaß, und was gibt’s Gemütlicheres als einen Haufen Grabreden, die so vor Lügen triefen, dass niemand weiß, wo er hinschauen soll?«
4
»Hast du das hier gelesen?«
Mein Gott, dachte Kira Schönenberg, ich bin kaum zur Tür rein, und schon geht das wieder los. Kann sie nicht wenigstens warten, bis ich mir die Schuhe ausgezogen habe?
Doch kaum dass sich der Gedanke manifestiert hatte, packte sie auch schon wieder das schlechte Gewissen.
Merle schien es zu spüren. »Alles klar?«, fragte sie.
»Sicher. Was steht denn da?«
»Ich habe dir doch von dieser Journalistin erzählt, die mich angerufen hat«, sagte ihre Freundin anstelle einer Antwort.
»Welche?«
Die Frage war durchaus berechtigt, denn seit dem Mord kamen sie einfach nicht zur Ruhe. Andauernd riefen irgendwelche wildfremden Reporter an und fragten wegen eines Interviews an. Etwas, das Kira rasend wütend machte.
»Eine von den Freien.« Merle schwenkte die Zeitung, die sie in der Hand hielt. »Ihr Name ist Jo Ternes.«
Kira zuckte die Achseln. »Sagt mir nichts.«
»Die ganze Sache war auch ein bisschen merkwürdig.«
Kira Schönenberg streifte sich die Sandaletten von den Füßen und streckte seufzend die Zehen aus. »Inwiefern merkwürdig? «
»Diese Frau wollte eigentlich gar nichts über die Vergewaltigung als solche wissen. Sondern nur, ob ich Jan Portner gekannt habe. Und ob ich vor der Tat irgendwann einmal Kontakt zu dessen Frau hatte.«
»Und was hast du ihr gesagt?«
»Ich habe sie gefragt, warum sie das wissen will. Und da hat sie so eine komische Andeutung gemacht.«
Kira zog die Stirn kraus. »Eine Andeutung? In welche Richtung? «
»Ich erinnere mich nicht an den genauen Wortlaut, aber im Kern lief es darauf hinaus, dass einige Leute bestimmt nicht allzu traurig seien, dass Portner tot ist.«
»Das trifft vermutlich auf fast alle Mordopfer zu«, stöhnte Kira. »Bloß dass die wenigsten Leute die Courage haben, zuzugeben, dass jemand, der Opfer einer Gewalttat geworden ist, eigentlich ein Arschloch war.«
»Seltsam, dass du das sagst.« Merle lehnte sich gegen den Türrahmen.
»Wieso?«
»Weil diese Jo Ternes in ihrem Artikel hier fast haargenau das Gleiche schreibt.«
Kein Zweifel, jetzt war Kiras Neugier geweckt. »Zeig mal her«, sagte sie und griff nach der Zeitung, die ihre Partnerin noch immer in der Hand hielt.
»Aber da war auch noch was anderes.« Merle Olsens Blick heftete sich gedankenverloren auf das Telefon, das auf dem Schuhschrank hinter Kira lag. »Sie hat sich ganz komisch ausgedrückt. Fast so, als ob sie glauben würde, dass Portners Tod kein Zufall, sondern eine gezielte Aktion war.«
Kira ging in die Küche hinüber und setzte sich an den Tisch, während Merle einfach weiterredete. Zwar war sie von Haus aus eher introvertiert, etwas, das Kira in ihrer Kennenlernphase fast um den Verstand gebracht hatte, aber seit sie zusammen waren, sprach sie erstaunlich viel über sich selbst. Wie sie etwas sah, empfand, einschätzte, was sie plante, warum sie etwas tat oder unterließ. Wenn Kira in den Jahren ihres Zusammenlebens etwas gelernt hatte,
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