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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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erlöschen und ihr einen hohlen, leeren Mann, einen geisterhaften Überrest des Jacks, den sie liebte, zurücklassen?
    Das konnte man der Liste der Dinge, die sie nachts wach hielten, noch hinzufügen.
    Und dann. Vergangene Nacht, als sie endlich eingeschlafen war … waren Visionen von dem rätselhaften kleinen Mädchen, das sie im Haus der Kentons gesehen hatte, in ihren Träumen erschienen. Ihre Augen … Gia hatte sie nur ganz kurz gesehen, als das Mädchen über die Schulter zurückgeblickt hatte. Doch diese tiefblauen Augen verfolgten Gia in ihren Träumen und sogar hier und jetzt am helllichten Tag.
    Wer war sie? Und warum lag eine solche Sehnsucht in diesen Augen? Es schien ein Bedürfnis, eine Not zu sein, die Gia vielleicht erfüllen konnte, wenn sie nur wüsste, wie.
    Keine Frage, sie musste noch einmal in dieses Haus zurückkehren.
     
     

2
     
    »Ich hab’s«, sagte Jack und tippte mit dem Finger auf die Meldung in der Zeitung.
    Er hatte die Daily News von Abes Theke genommen, sobald er hereingekommen war, und sie auf der Suche nach Artikeln über den kleinen asiatischen Jungen und den verletzten Bellitto durchgeblättert.
    Er hatte eine kurze Notiz mit dem Inhalt gefunden, dass ein Mr. Eli Bellitto aus SoHo mit einem Messer verwundet und ein Begleiter, Adrian Minkin – das war also der Name des Gorillas – von einem Unbekannten während der vergangenen Nacht zusammengeschlagen worden war. Beide wären ins St. Vincent’s eingeliefert worden.
    Jetzt spielen die Raubtiere schon die Opfer, dachte Jack. Raffiniert.
    Aber die Meldung von der Rettung des entführten vietnamesischen Jungen war groß aufgemacht und wurde durch ein Foto von dem kleinen Duc Ngo und einem zweiten von seiner Mutter ergänzt.
    »Nu?«, fragte Abe, während er – mit erstaunlicher Geschicklichkeit angesichts seiner eher dicken, plumpen Finger – Lachsstreifen auf der Innenseite einer aufgeschnittenen Brötchenhälfte arrangierte. »Was hast du?«
    »Einen Artikel über den Jungen, den diese Schweine gestern Abend mitnehmen wollten. Es geht ihm gut.«
    »Welcher Junge?«
    Er schaute nicht hoch. Stattdessen bestrich er die andere Brötchenhälfte mit Schmelzkäse – und zwar dem von der fettreduzierten Sorte. Wenn man allerdings die Menge betrachtete, die er auf der Brötchenhälfte verteilte, dann sparte er weder Kalorien noch Fett.
    »Hey, lass mir auch noch was übrig«, sagte Jack.
    Er hatte, wie immer, das Frühstück mitgebracht, nicht an Lachs gespart – er hatte nicht den von Nova genommen, weil Abe die salzigere Sorte bevorzugte –, jedoch versucht, Abe in Sachen Kalorien mit fettreduziertem Käse etwas Gutes zu tun.
    »Welcher Junge?«, wiederholte Abe, ohne auf Jacks Bemerkung zu reagieren, geschweige denn darauf einzugehen. »Welche Schweine?«
    Jack lieferte ihm einen kurzen Abriss der Ereignisse vom Vorabend und beendete seinen Bericht, indem er aus der News vorlas.
    »Hör dir bloß mal die Mutter an: ›Ich hab mir solche Sorgen gemacht‹, sagte Ms. Ngo. ›Der kleine Duc will jeden Abend Eis kaufen gehen. Das hat er schon wer weiß wie oft getan und niemals irgendwelche Probleme gehabt. Es ist einfach furchtbar, dass Kinder in dieser Stadt nicht sicher sind.‹« Wütend schlug Jack mit der Hand auf die Zeitung – und zuckte zusammen, als ein durch diese Bewegung erzeugter Schmerz ihn an seine frische Wunde erinnerte. »Ist so etwas zu fassen? So ein Haufen gequirlter Mist.«
    »Was ist nicht zu glauben?«
    »Er ist sieben Jahre alt! Es war zehn Uhr und regnete in Strömen! Von wegen, er wollte rausgehen. In Wirklichkeit haben sie und ihr Freund den kleinen Jungen jeden Abend auf die Straße geschickt, damit sie eine Zeit lang ungestört waren und es miteinander treiben konnten. Aber das erzählt sie der News natürlich nicht, diese Schlampe!«
    Er schlug noch einmal die Zeitung auf, diesmal heftiger – was zu einem neuerlichen schmerzhaften Stechen in seiner Wunde führte –, wobei seine Faust auf dem Bild von der Mutter des Jungen landete. Er hoffte, sie spürte diesen Schlag, wo immer sie sich gerade aufhielt.
    »Du hast ihn vor dem Tod, vielleicht sogar vor noch Schlimmerem gerettet.« Abe biss in sein sorgfältig konstruiertes Schmelzkäse-Lachs-Brötchen und redete mit vollem Mund weiter. »Du hast eine richtige Mizwa ausgeführt. Du solltest glücklich sein und nicht wütend.«
    Jack wusste, dass Abe Recht hatte, aber während er das grobkörnige Schwarzweißfoto des kleinen Duc betrachtete –

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