Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
naiv sein.
    »Was meinst du, warum er dir das alles erzählt hat? Weil er genau wusste, dass du es mir sagen würdest. Er wollte, dass du es mir sagst. Er fängt an, Fragen zu stellen, und hofft, dass ich seine Zweifel zerstreue. Was er nicht begreift, ist, dass mich nicht interessiert, was er denkt. Allerdings sind seine Kontakte bei der Polizei für den Zirkel so wertvoll, dass ich ihn wahrscheinlich auf diese Angelegenheit ansprechen und sie endgültig klären muss.«
    »Warte damit, bis du dich besser fühlst«, riet ihm Adrian.
    Früher, in den alten Zeiten, dachte Eli, war alles viel besser. Ich brauchte den Zirkel nicht. Einmal im Jahr suchte ich mir ein herumstreunendes Kind, führte die Zeremonie aus und zog meiner Wege. Aber heutzutage ist alles so kompliziert geworden. Angesichts der wirkungsvollen Techniken der Verbrechensaufklärung, die inzwischen zum Einsatz kommen, braucht man Hilfe, Beziehungen und ganze Netzwerke, um Jahr für Jahr unbehelligt ein Kind in seine Gewalt zu bringen.
    Er brauchte den Zirkel genauso, wie der Zirkel ihn brauchte. Aber das mussten sie nicht unbedingt erfahren.
    Eli seufzte tief und rieb sich die Augen. »Vielleicht sollte ich den Zirkel auflösen und allein weitermachen. So habe ich nämlich angefangen: allein.«
    Eli linste zwischen den Fingern hindurch, um nachzusehen, ob seine kleine Ansprache die gewünschte Wirkung hatte. Der entsetzte Ausdruck in Adrians Gesicht lieferte ihm die positive Bestätigung.
    »Nein! Daran darfst du nicht einmal denken, Eli! Ich werde mit den anderen reden. Wir …«
    »Nein, ich werde mich selbst dieser Angelegenheit annehmen. Ich gebe dem Ganzen noch eine Chance. Und jetzt solltest du zusehen, dass du deine Sachen holst, während ich einige Telefonate führen muss.«
    Nachdem Adrian sich verabschiedet hatte, ließ sich Eli in seinem Sessel nach hinten sinken und schloss die Augen.
    … er hätte bisher nicht schlüssig beweisen können, ob du tatsächlich so alt bist, wie du behauptest. Oder ob du einfach nur verrückt bist …
    Manchmal, gab Eli zu, frage ich mich das auch.
    Er hatte Erinnerungen an seine frühen Jahre im Italien des achtzehnten Jahrhunderts, daran, wie er die Zeremonie in einem Felsverlies in Riomaggiore zwischen den Cinque Terre an der ligurischen Küste entdeckt hatte, und dann an den langen Weg durch Hunderte von Jahren mit ihren Hunderten geopferter Kinder. Aber sie befanden sich nur ganz vage in seinem Bewusstsein, fast, als hätte er alles nur geträumt. Er wünschte sich, er könnte mehr Details rekonstruieren.
    Was wäre, wenn Strauss’ Verdacht zutraf? Wenn er tatsächlich nicht mehr als ein mordlustiger Geistesgestörter war, der versuchte, das Rad der Zeit zurückzudrehen, und der seine verrückten Geschichten sich selbst und anderen so oft erzählt hatte, dass er am Ende selbst daran glaubte.
    Nein! Eli schlug mit der Faust auf die Armlehne des Sessels. Was fiel ihm ein? Er war nicht verrückt, und er war auch kein Spinner. Das lag nur an den Schmerzen, an den Medikamenten …
    … an der Wunde …
    Ja, die Wunde. Dort lag die Quelle seines Zweifels. Er hätte überhaupt nicht verwundet werden dürfen. Das war das Vermächtnis der Zeremonie – ewiges Leben und persönliche Unversehrtheit. Es schützte einen Adepten nicht vor harmlosen Verletzungen wie kleine Schnitte beim Rasieren oder durch Ungeschick erzeugte Kratzer und Ähnliches. Aber eine Stichwunde … eigentlich hätte die Messerklinge an seiner Haut abgleiten müssen.
    Es sei denn, sie wurde von der Hand eines anderen Adepten geführt.
    Mit einem Gefühl des Unbehagens holte Eli die Telefonnummer hervor, die ihm Strauss am Abend zuvor gegeben hatte, und tippte sie in sein Telefon. Und genauso wie am Vorabend war sein geheimnisvoller Gegner »zur Zeit nicht erreichbar«.
    Eli unterbrach die Verbindung und kochte innerlich vor Wut. Er würde die Nummer ins Kurzwahlverzeichnis aufnehmen und sie immer wieder anrufen. Irgendwann müsste der Mann sein Telefon einschalten, und bei einer dieser Gelegenheiten würde Eli ihn erwischen. Und dann würden sie miteinander reden, und Eli würde seinen Widersacher kennen lernen, ihn zu einem verräterischen Versprecher verleiten- und dann hätte er ihn.
     
     

3
     
    Lyle unterdrückte ein Gähnen, während er mit einem neuen Kunden die üblichen Präliminarien absolvierte. Nicht dass es ihn langweilte, von seinem Geistführer zu erzählen – wie könnte Ifasen etwas anderes als vollkommene Begeisterung

Weitere Kostenlose Bücher