Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
Vom Netzwerk:
Lyle, ausgebaut worden. Wer immer es gewesen war, er hatte keinerlei Geschmack bewiesen. Er hatte eine Decke mit Neonbeleuchtung eingehängt, die Wände mit Paneelen aus Plastik mit Holzdekor in einem langweiligen Braunton verkleidet und den Zementfußboden orange gestrichen. Orange! Es sah aus wie ein Partykeller in einem billigen Film aus den sechziger Jahren oder vielleicht sogar den Fünfzigern. Egal wie, er gehörte nicht ins Menelaus Manor.
    Aber jetzt spaltete ein riesiger Riss den orangen Fußboden.
    »Sieh dir das an!«, stieß Charlie hervor, während er sich an Lyle vorbeidrängte und sich dem Spalt näherte.
    Der Riss verlief quer über den gesamten Fußboden, von Wand zu Wand, von Ost nach West. In der Mitte verbreiterte er sich ein wenig. Riss war eine Untertreibung. Die Betonplatte, die den Fußboden bildete, war in der Mitte durchgebrochen.
    Sein Bruder kniete bereits vor der Öffnung, als Lyle ihn erreichte.
    »Das sieht verdammt tief aus«, stellte Charlie fest.
    Lyles Herz übersprang einen Schlag, als er bemerkte, wie sein Bruder anfing, die Finger in den Riss zu zwängen. Er packte Charlies Handgelenk und zerrte es zurück.
    »Bist du völlig bescheuert?«, brüllte er wütend und ängstlich. »Was ist, wenn der Fußboden wieder in seine alte Lage rutscht? Was tust du mit einer rechten Hand, an der keine Finger mehr sind?«
    »Oh, richtig«, sagte Charlie und krümmte die Finger, als wären sie eingeklemmt worden. »Das stimmt.«
    Lyle schüttelte den Kopf. Charlie war in vieler Hinsicht so clever, aber manchmal, wenn es darum ging, gesunden Menschenverstand zu beweisen …
    Lyle studierte den Riss und fragte sich, wie weit die Erde darunter gespalten war. Er beugte sich vor und linste in die Öffnung. Er sah nichts als bodenlose Finsternis.
    Moment … war das …?
    Lyle hob ruckartig den Kopf, als er für einen kurzen Moment Benommenheit spürte. Sekundenlang hatte er geglaubt, Sterne zu sehen …, so als blickte er in einen Nachthimmel, aber einen ganz fremden Nachthimmel, einen Nachthimmel, wie man ihn von der Erde aus nicht sehen konnte … ein unendlich tiefer Abgrund voller Sterne, der drohte, ihn durch die Öffnung zu saugen und zu verschlingen.
    Er wich zurück. Er hatte Angst, einen zweiten Blick zu riskieren, und während er sich rückwärts bewegte, spürte er einen Lufthauch im Gesicht. Er hielt eine Hand über die Öffnung. Eine kaum wahrnehmbare Brise fächelte über seine Handfläche.
    Verdammt. Wo kam die her?
    »Charlie, wirf mal einen Blick hinein und erzähl mir, was du siehst.«
    »Warum?«
    »Tu’s einfach.«
    Charlie hielt ein Auge an den Spalt. »Nichts. Nur schwarz.«
    Lyle schaute abermals hinein, und diesmal sah er keine Sterne, keinen fremden Himmel. Aber was war das kurz vorher gewesen?
    Er richtete sich auf. »Bring mir mal den Werkzeugkasten.«
    »Ist etwas nicht in Ordnung?«
    »Ich bin mir nicht sicher.«
    Charlie kam nach weniger als einer Minute zurück. Lyle öffnete den Werkzeugkasten und fand zwei fünf Zentimeter lange Nägel. Er drückte ein Ohr auf den Spalt und ließ einen Nagel hineinfallen. Er lauschte auf das Klirren, sobald er auf dem Grund aufschlug, aber von einem Klirren war nichts zu hören.
    Lyle winkte seinen Bruder zu sich heran. »Halt mal das Ohr hierhin, und versuch du es.«
    Ein zweiter Test erbrachte für Lyle das gleiche Ergebnis. Er richtete sich auf und sah Charlie an. »Und?«
    Charlie schüttelte den Kopf. »Da unten könnte weiche Erde sein. Oder Sand.«
    »Schon möglich. Aber man würde doch annehmen, dass wir etwas hören.«
    »Ich habe eine Idee.«
    Charlie sprang auf und rannte wieder nach oben. Er kam mit einer Karaffe voll Wasser zurück.
    »Das müsste funktionieren.«
    Lyle hielt das Ohr an den Spalt. Charlie tat das Gleiche und begann zu schütten. Das leise Plätschern des Wassers, als es in den Spalt rann, war alles, was Lyle hören konnte. Kein Klatschen und auch sonst kein Geräusch von unten.
    Lyle richtete sich auf. »Genau das, was wir jetzt brauchen können: ein grundloser Schacht unter unserem Haus.«
    »Was tun wir?« Charlie starrte ihn an und erwartete offensichtlich eine Antwort von seinem großen Bruder.
    Lyle hatte keine. Er wollte auf keinen Fall, dass irgendjemand in der Stadt davon erfuhr. Das könnte das Todesurteil für diesen Ort sein und ihn für immer um sein Geschäft bringen. Er war nicht den weiten Weg von Michigan hierher gekommen, um aus dem ersten Haus, das er je besessen hatte, vertrieben zu

Weitere Kostenlose Bücher