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HMJ06 - Das Ritual

HMJ06 - Das Ritual

Titel: HMJ06 - Das Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Paul Wilson
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Geisterhand schoss aus der lockeren Erde hoch, ergriff ihr Handgelenk und riss es nach unten. Sie schrie erstickt auf, als ihr Gesicht ins Erdreich gepresst wurde.
    Charlie schlug auf die Hand ein, befreite die Frau und stieß sie dann grob zurück.
    »Sehen Sie?« Er schaute sie jetzt an, und sie konnte Tränen in seinen Augen erkennen. Seine Lippen zitterten, als er weitersprach. »Ich weiß, was ich tue, okay? Ich will es nicht für nichts und wieder nichts tun! Es soll einen Sinn haben, klar?«
    »Aber Charlie …«
    In diesem Moment versiegte der Erdrutsch.
    Gia sah hoch, drehte den Kopf, blickte zu Charlie. Der Geröllregen hatte genauso plötzlich aufgehört, wie er begonnen hatte. Aber warum?
    »Lobet den Herrn!« Charlie kippte erschöpft nach vorne. Das Erdreich erreichte bereits den unteren Teil seines Brustkorbs. Er legte den Kopf auf seine Arme und sagte halblaut: »Er hat uns vom Bösen erlöst!«
    In diesem Augenblick spürte Gia, wie die Erde unter ihr zu wogen begann, wie sie sich veränderte, feiner, körniger wurde. Sie bewegte sich, wogte und wallte wie eine zähflüssige Masse.
    Und sie stieg.
    »O nein!«, stöhnte Gia. »Was geschieht hier?«
    Charlie richtete sich auf und trommelte mit den Fäusten auf das Erdreich ein, während es bis zu seinen Achselhöhlen stieg.
    »Keine Ahnung! Bitte, lieber Gott, mach, dass es aufhört! Bitte!«
    Die Erde, obgleich pulvertrocken, schwappte gegen ihn wie Wasser, verschluckte ihn, doch Gia versank nicht, sondern schwamm irgendwie auf dem körnigen Gewoge. Sie schrie auf, erwischte die freie Hand ihres Leidensgenossen und versuchte, ihn zu sich hochzuziehen, doch er rührte sich nicht. Seine Füße waren unverrückbar in der Tiefe verankert.
    Während die Erdflut an seinem Hals leckte, fand sein verzweifelter Blick ihre Augen und schien sie regelrecht festzuhalten, sich daran zu klammern. »O bitte, bitte, Herr! Ich will nicht sterben!«
    Und dann schwappte die Erde in seinen offenen Mund, und er hustete und würgte und schnappte nach Luft und wand sich, wobei er den Hals, so gut es ging, reckte. Gia weinte und wimmerte vor Grauen, zerrte an seinem Arm, bewegte ihn aber um keinen Millimeter aus seiner misslichen Lage. Der Geröllpegel stieg über seinen Mund, die ersten Krumen drangen in seine Nasenlöcher, und seine Augen weiteten sich, quollen hervor und waren ein einziges stummes Flehen. Mit einem letzten Aufwallen wogte die lockere Erde hoch und bedeckte seinen Kopf, so dass nur noch seine hochgereckten Arme zu sehen waren.
    Gia schrie und wühlte ihre nackten Hände in die Erde, scharrte wild und hektisch wie ein Hund, um sein Gesicht von der unheimlichen Flut zu befreien.
    »Charlie, Charlie! Halten Sie durch!«
    Aber es war, als versuchte man, mit bloßen Händen eine Springflut aufzuhalten. Das lockere Erdreich umspülte ihre Finger und füllte sofort jede noch so winzige Lücke, die sie mit ihren hektischen Bewegungen geschaffen hatte. Sie konnte sein Gesicht ertasten, berührte seine Haare, vermochte aber nicht, genug von der lockeren Masse wegzuräumen, um ihn richtig zu sehen. Wenn sie doch nur einen Schlauch oder ein Rohr hätte, etwas, um ihm ungehinderten Zugang zu frischer Luft zu verschaffen, bis …
    Plötzlich brach Charlies andere Hand durch die Erdflut. Sie hielt immer noch das Kreuz. Gia ergriff sein Handgelenk und zog mit aller Kraft, stemmte sich mit ihrem gesamten Gewicht gegen den Sog des Erdreichs, aber sie bewirkte nichts! Gar nichts!
    Und dann, während ihre Finger seine Hand festhielten, spürte sie, wie ein Zittern durch seine Arme lief und sich bis in seine Hände fortsetzte. Sie musste verfolgen, wie seine Finger sich streckten, versteiften, das Kreuz fallen ließen, für einige wenige Sekunden in der Luft zuckten, dann schlaff wurden, herabsanken, sich noch einmal aufbäumten, ein zweites Mal, und sich dann nicht mehr rührten.
    »Nein!« Trauer und Schmerz wallten in Gia hoch wie eine alles verschlingende Flut. Sie war Charlie nur zweimal begegnet, kannte ihn so gut wie gar nicht, und trotzdem hatte er sein Leben für sie geopfert. Sie kniete sich hin und ergriff seine erkaltenden Hände, gab einen verzweifelten Klagelaut von sich, der in ein haltloses Schluchzen überging. »Nein!«
    »Es tut mir Leid.« Das war Taras Stimme.
    Gia blickte auf. Wo gerade eben noch ein tiefer Schacht gegähnt hatte, befand sich jetzt eine vollkommen glatte, seichte Vertiefung in der Erde. Tara stand ein paar Schritte entfernt, sah sie an

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