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Hochgefickt

Titel: Hochgefickt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Bergdoll
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mich schon so gefreut für dich, dass du nach Quasimodo endlich mal wieder ein hübsches Kerlchen hattest!«
    Meine Eltern hatten in Sebi von Anfang an den Glöckner gesehen und mich angemessen damit aufgezogen. Als Günther mir nach der Tour beim Umzug nach Köln half, hatte er großen Spaß daran, mich ausschließlich Esmeralda zu nennen – mit gelispeltem s, seit er Sebi im TV hatte reden hören. Die Fopperei fand er mindestens so gut, wie Jahre zuvor Bens Phimosen- und Brustwarzen-OP zu kolportieren. Wenn er richtig gute Laune hatte, machte er sogar ohne weiteren Kommentar einen schiefen Buckel und Gesichtslähmungsgrimassen, sobald der Name Sebi fiel. Renate war scheinbar diplomatischer, aber eben auch nur scheinbar. Als ich während der Tour in ihrem Hotel in Österreich anrief, um ihnen stolz den Kauf der aktuellen BRAVO ans Herz zu legen, war Renates Reaktion auf das Foto von Sebi und mir: »Dein neuer Freund muss sicher ein sehr netter Mensch sein …«, was nichts weiter ist als freundliche Friseurinnen-Chiffre für »Ach du meine Güte!« Aber das war damals.
    Jetzt hörte ich im Hintergrund meinen Vater in die Küche kommen. »Ist da etwa meine berühmte Tochter am Telefon?«, rief er, und an seinem Tonfall erkannte ich, dass er im Aufzieh-Modus war. Dann Geraschel und Geknacke, anscheinend reichte meine Mutter den Hörer gerade weiter. »Hallo Luder-Lina!«, begrüßte er mich. »Hallo Papa!« – »Na, gibt Esmeralda … nee … Exmeralda! Sehr gut, haha! Gibt die Exmeralda heute noch ’ne Pressekonferenz, mit wem sie gerade im Bett liegt?«, flachste er.
    »Ach Papa, das war alles ganz anders! Mann, ich bin so sauer, was soll ich denn jetzt machen? Ich muss doch irgendwie darauf reagieren, das richtigstellen, oder so!«
    »Weißt du, welche Reaktion dir am besten tut?«, fragte Günther mit väterlicher Ernsthaftigkeit. »Du schaltest deinen Anrufbeantworter aus, steigst in dein Auto und kommst für ein paar Tage nach Hause. Entzieh dich dem ganzen Wahnsinn, sonst wird’s nur noch schlimmer werden! Außerdem ist in drei Tagen erster Advent, und wir wollen doch lieb gewonnene Traditionen nicht einreißen lassen, nur weil du jetzt in der Stadt wohnst, was, Lienchen!?«
    Am 1. Advent hatten wir es uns zum Ritual gemacht, dass ich morgens mit Renate Plätzchen buk, während Günther den Kranz aufhängte; dann gingen Vater und Tochter in den Keller, um Günthers Aufgesetzten zu kosten und die Skier für den baldigen Urlaub zu schleifen und zu wachsen, während die Mutter in der Küche einen tollen Wildschweinbraten zubereitete; und zum Tagesabschluss wurden dann die Plätzchen als Dessert vorm Kamin geknabbert und mit Glühwein runtergespült, während man sich bei Trivial Pursuit den Kopf zerbrach, wie noch mal die erste Frau von Ronald Reagan hieß (Jane Wyman) oder wann der 30-jährige Krieg war (1618 – 1648). Vielleicht war es wirklich nicht die dümmste Idee, sich erst mal zurückzuziehen. Außerdem hatte ich die beiden schon seit sechs Wochen nicht mehr gesehen. Also befolgte ich den Rat meines Vaters, klemmte meinen Anrufbeantworter ab und fuhr in die Eifel.
    In der Bild am Sonntag wurden die Geschehnisse der vergangenen Woche noch mal aufgearbeitet, das große Versöhnungsinterview samt Gruppen-Therapie-Ankündigung und Wir-haben-uns-wieder-lieb-Foto von Finn und Sebi. Von mir war auch noch ein Foto neben den Artikel gesetzt, unter dem »Lina L. war für eine Stellungnahme nicht erreichbar« stand, aber Finn hatte in dem Interview sowieso noch mal unterstrichen, dass Sebis Verdacht einem albernen Hirngespinst entsprungen war. Und weil Sebi sich kate gorisch weigerte, »über diese Person zu sprechen«, kam ich auf den drei Seiten ansonsten nicht mehr vor. Es entspannte mich, dass sich die Wogen um mich herum erst mal glätteten, und so konnte ich unser Ritual am ersten Advent tatsächlich genießen. Meine Eltern hatten sich seit meiner Ankunft mit Belehrungen und Kommentaren rücksichtsvoll zurückgehalten, aber beim Aufgesetzten im Keller hielt Günther es wohl für den richtigen Moment, ein ernstes Wörtchen mit mir zu reden, während er mit Renates ausrangiertem Bügeleisen das Wachs auf den Skiern verteilte.
    »Hattest du dir anders vorgestellt mit dem Berühmtwerden, hmm?«
    »Schon«, sagte ich, »aber trotzdem muss man sagen, dass das Berühmtwerden an sich ja eigentlich schon mal ganz gut funktioniert hat. Leider wird jetzt so, wie es gelaufen ist, das Berühmt bleiben

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