Hochsaison. Alpenkrimi
zwanzigtausend Jahre halten.«
»Was dann?«
Swoboda machte eine unwirsche Handbewegung.
»Ich werde mir da was überlegen.«
Wong brachte Tee und sagte:
»Dann müssen wir herausfinden, ob das Verschwinden dieses schändlichen und mörderischen Doktors aufgefallen ist.«
»Wegen dieser Sache habe ich mich schon umgesehen«, sagte Swoboda. »Da brauchen wir uns zunächst einmal keine Sorgen zu machen. Ich bin in das Geschäft neben seiner Praxis gegangen. Ein Andenkenladen, natürlich, was sonst. Habe nach dem Doktor gefragt. O Jeggerl, hat die mich zugeschwallt! Ich hab alles erfahren, was ich wissen wollte. Und noch mehr. Er hat die Praxis schon verkauft, ein Nachfolger soll erst im Lauf der nächsten Wochen kommen. Ich war auch in seiner Privatwohnung und habe ihm den Briefkasten geleert.«
»Sein Verschwinden kann jederzeit bemerkt werden.«
»Das sehe ich auch so, Freunde. Da müssen wir was tun.«
»Wie wäre es damit«, sagte Shan, »die Leiche eben nicht zu entsorgen, sondern offen hinzulegen, so, dass sie gefunden werden muss?«
»Was soll das für einen Sinn haben?«, raunzte Swoboda.
»Wir schieben dem Doktor das Attentat auf Sørensen in die Schuhe. Die Lokalpolizei, die ohnehin nicht sehr effektiv zu arbeiten scheint, beißt sich an dem Fall fest, der Ruf des Kurorts wird weiter beschädigt – und wir können in Ruhe den zweiten Angriff auf Rogge vorbereiten.«
»Und wie erklärt ihr das Einschussloch in dem allgemeinärztlichen Köpferl? Nein, nein, das ist ein schlechter Plan. Der Doktor muss genauso verschwinden wie euer Boss. Aber ihm das Attentat in die Schuhe zu schieben ist gar keine üble Idee. Wir geben seine Fingerabdrücke an die Präzisionswaffe und bauen um ihn eine Verschwindibus-Legende auf: Verwirrter alter Mann begeht Bluttat, hebt seine Ersparnisse ab und verschwindet spurlos. Da haben die Kieberer was zu beißen!«
»Das machen wir«, sagte Wong.
»
Ihr
macht zunächst einmal gar nichts! Ihr haltet schön still und spielt weiter die kichernden und knipsenden Europatouristen. Ich werde jetzt einmal ein paar falsche Spuren auslegen. Als ob ich sonst nichts zu tun hätte. Pfuscher, ausländische.«
Er ließ sich zur Tiefkühltruhe führen, öffnete ein Plastiktütchen und gab einiges aus dem unfreiwilligen Nachlass von Dr. Steinhofer hinein: einen Hosenknopf, ein Büschel Haare und noch ein paar Dinge mehr. Er steckte das Tütchen in seine Tasche und sagte zu Wong:
»Dann brauche ich deine Präzisionswaffe.«
»Es ist nicht ehrenvoll –«
»Pfeif aufs Ehrenvolle«, unterbrach Swoboda. »Her mit dem Prügel.«
Es war ein mehrteiliges, zur völligen Harmlosigkeit auseinandernehmbares und wieder zusammensteckbares Gerät, das Wong selbst entworfen und gebaut hatte und jetzt nur widerwillig hergab. Swoboda pfiff durch die Zähne.
»Aber das ist ja –!«
»Ja, natürlich, es ist
keine
Pistole«, sagte Wong stolz. »Eine Pistole oder gar ein Gewehr hätten bei über zwanzigtausend Ohrenzeugen viel zu viel Lärm verursacht. Und ein Schalldämpfer ist auf diese große Entfernung nicht möglich.«
»Dann nehme ich das Wort
Pfuscher
wieder zurück.«
Swoboda reinigte das Gerät, das ihm Wong gegeben hatte, sorgfältig, steckte es ebenfalls in eine Plastiktüte und machte sich ausgehfertig. Der Morgen graute schon, als sich Swoboda aus der Pension Alpenrose schlich, um einen fröhlichen Bergsteiger mit Bundhose, kariertem Hemd und Rucksack zu mimen – dabei war er bloß damit beschäftigt, falsche Spuren zu legen, Dr. Steinhofers Verschwinden mit dem Attentat zu verknüpfen und einen Platz im Skistadion zu suchen, an dem er Wongs Wunderwaffe verstecken konnte. Seine Überlegung war einfach: Die Kieberer würden erneut nach der Pistolenkugel suchen, sie würden stattdessen das Gerät der Chaoyanger finden, da war er sich sicher. Nur ein Zusammenhang mit dem kleinen fernen Wintersportort Chaoyang durfte nicht erkennbar sein.
Swobodas Überlegung war einfach, aber falsch. Die Wunderwaffe wurde nicht gefunden. Es vergingen Aschermittwoch, Palmsonntag, Ostermontag und weitere Stationen des katholischen Kirchenjahres, die Polizeiobermeister Ostler und Hölleisen jagten wieder Parksünder und Ladendiebe, es starb der alte Hauterer Anton im gesegneten Alter von siebenundneunzig, es verstrichen die Namenstage von Ursula, Petrus, Kasilda und Damian. Ostler und Hölleisen nahmen eine Vermisstenanzeige bezüglich Dr. Steinhofer auf, die ersten Krokusse brachen heraus,
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