Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
»Und ich will keine neuen Medikamente!«
Aus den Augenwinkeln konnte sie beobachten, wie die Flüssigkeit sich rasch in Richtung ihrer Armbeuge bewegte. Heftig riss sie den Zugang aus ihrer Vene. Ein kleiner Blutstropfen bildete sich auf der Wunde, der immer größer wurde und schließlich als schmales Rinnsal über ihren Unterarm lief und auf den Boden tropfte. Verzweifelt wehrte sie sich gegen die Hände, die sie an Armen und Beinen festhielten. Jemand verabreichte ihr eine Injektion. Sie spürte die Nadel nicht. Erst als der Nebel wieder stärker wurde, wusste sie, dass sie ihr erneut ein Beruhigungsmittel verabreicht hatten. Sie hörte eigenartige Stimmen, obwohl sie niemanden mehr sehen konnte. Die Geräusche wurden leiser und entfernten sich. Manuela.
Lea und Moritz wurden auf der Dienststelle von den besorgten Gesichtern der Kollegen empfangen. Markus Ackermann nickte Kepplinger aufmunternd zu. Moritz ließ sich in einen Ledersessel in der Ecke fallen und berichtete von dem Einsatz und wie sie in der Nacht auf den Täter aufmerksam geworden waren.
»Und du hast wirklich nur einen Kratzer abbekommen?«, erkundigte sich Franziska.
»Ja, der Notarzt hat die Wunde desinfiziert und ein Zugpflaster draufgeklebt.« Als Beweis hob er sein T-Shirt an, sodass die Umstehenden den bräunlichen Wundverband sehen konnten.
»Da haben Sie aber mächtig Glück gehabt, mein Lieber«, kommentierte Brandstätter das Geschehen. »Was ist denn jetzt mit dem Schützen passiert?«
»Lars Kaufmann ist uns quasi in die Arme gerannt, als wir nach den Schüssen ins Haus gestürmt sind«, erklärte Lea.
»Er wird heute Mittag dem Haftrichter vorgeführt. Anschließend bringen sie ihn nach Stammheim«, führte Kepplinger weiter aus. »Bei der Hausdurchsuchung wurde eine Menge Beweismaterial sichergestellt.«
»Allerdings wenig Interessantes für unseren Fall«, fügte Lea hinzu.
»Stimmt. Einen direkten Hinweis auf Manuela Jessen haben wir leider nicht entdeckt. Kaufmann kopiert offenbar im großen Stil Kinderpornos und verkau ft sie an Kunden in ganz Europa. Wir haben einen hochwertigen Videoscanner und ein automatisiertes Kopiersystem für DVD s gefunden. In seiner Garage lagern ungefähr zwanzigtausend DVD -Rohlinge.«
»Außerdem haben wir mithilfe von Spürhunden in seinem Wohnmobil jede Menge Amphetamine und anderes Zeug entdeckt«, ergänzte Lea die Fundliste. »Kaufmann hat nebenbei anscheinend ordentlich gedealt.«
Markus Ackermann nickte. »Also, ein richtig dicker Fisch.«
»Kann man wohl sagen«, fügte Salvatore Falcone hinzu.
»Habt ihr mit ihm gesprochen?«, wollte Markus Ackermann wissen.
»Kaufmann hat sofort einen Anwalt verlangt.«
»Mist!«
»Wir müssen die erste Vernehmung und das Ergebnis der Spurensicherung abwarten, um zu erfahren, ob wir den Richtigen erwischt haben«, sagte Kepplinger und blickte nachdenklich in die Runde. »Und wir müssen herausfinden, warum Kaufmann vergangenen Freitag in Süßen war und mit wem er telefoniert hat.«
»Das mache ich«, rief Salvatore Falcone.
»Außerdem haben wir noch rund vierhundert Telefonnummern, die wir noch nicht überprüft haben.«
»Darum kümmern wir uns«, sagte Markus Ackermann. »Ihr solltet euch vielleicht erst mal von der Aktion erholen.«
Der Inspektionsleiter nickte und bot den beiden an, den Rest des Tages freizunehmen.
Kepplinger lehnte das Angebot ab.
»Was soll das bringen? Ich bin nicht schwer verletzt, und wir haben eine Menge zu tun. Ich möchte nur duschen und mich umziehen.«
Lea Thomann ging es ähnlich. Sie vereinbarten, in einer Stunde wieder auf der Dienststelle zu sein.
»Bevor ich es vergesse«, sagte Franziska. Kepplinger drehte sich um. »Der Arzt vom Christophsbad hat angerufen. Du sollst dringend zurückrufen.«
Er nickte. Dann musste die Dusche eben warten.
Gegen halb drei machte er sich mit Lea auf den Weg ins Christophsbad. Der Arzt wartete bereits an der Pforte des Klinikums. Sie begrüßten sich mit einem festen Händedruck. Moritz Kepplinger stellte seine Kollegin vor. »Lea Thomann, Doktor Giebel.«
Alexander Giebel reichte Lea die Hand und lächelte. »Leider ohne Doktor. Das wird noch eine Weile dauern.«
Kepplinger kam ohne Umschweife direkt zum Thema. »Wie geht es Frau Jessen?«
»Erstaunlich gut für die Menge an Medikamenten, die wir ihr in den letzten Tagen verabreicht haben.«
»Können wir mit ihr sprechen?«
»Sonst hätte ich Sie nicht angerufen. Heute Vormittag mussten wir ihr nochmals ein
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