Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
nicht gut aus. Tierfraß, Madenbefall und deutliche Verwesungsspuren. Diese Hitze …«
Lea Thomann sah die beiden ungläubig an.
»Wenn es sich tatsächlich um Manuela handeln sollte und sie seit einer Woche dort liegt, wird nicht mehr viel von ihr übrig sein«, sagte Kepplinger.
»Das ist ja grauenhaft!«
Er bot ihr an, auf der Dienststelle zu bleiben. Sie lehnte entschieden ab. »Nein. Ich komme mit!«
Der Waldparkplatz war zugeparkt mit Polizeifahrzeugen. Ein Streifenbeamter kontrollierte die Zufahrt. Obwohl bereits Dutzende Kollegen vor Ort waren, herrschte eine gespenstische Stille. Die Bewegungen der Ermittler wirkten roboterhaft. Nur hin und wieder hörte man ein respektvolles Flüstern. Im Wald war es angenehm kühl. Schon von Weitem sah Kepplinger den Fundort, der mit Markierungsbändern weiträumig abgesperrt war. Mit demselben Band war ein Korridor gekennzeichnet, der bis auf wenige Meter an den Fundort heranführte. In unmittelbarer Nähe war eine weitere Absperrzone eingerichtet in der die Kollegen der Spurensicherung zugange waren. Unter dem hellen Tuch vermutete Moritz die Leiche. Brandstätter stand daneben und winkte ihn zu sich. Kepplinger zwängte sich in einen Schutzanzug und passierte die Absperrung. Brandstätter hob die Plane an. Der Anblick war furchtbar. Das Fleisch war größtenteils bis auf das Skelett abgenagt. Auf dem Boden unterhalb des Körpers wimmelte es von Maden. Der Geruch, der von der Leiche ausging, war unerträglich. Kepplinger unterdrückte krampfhaft einen aufkommenden Brechreiz.
Eine Hand war beinahe vollständig erhalten. Darauf krabbelten Tausende kleiner Fliegenpuppen. Kopf und Gesicht waren von Biss- und Fraßspuren entstellt. Die angetrockneten Hautreste ließen nicht mehr auf das ursprüngliche Aussehen der Person schließen. Waren das die Überreste von Manuela Jessen? Wie lange würde es dauern, bis die Rechtsmedizin die Identität festgestellt hatte?
»Nicht einmal das Geschlecht kann man mehr erkennen«, sagte er leise. Brandstätter nickte und deckte den Leichnam wieder zu. Sie gingen zurück hinter die Absperrung.
»Wir haben ein paar Kleiderreste gefunden«, erklärte Markus Ackermann, nachdem Kepplinger sich aus dem Schutzanzug gezwängt hatte. Sein T-Shirt war klatschnass.
»Vielleicht können wir die Eltern einen Blick auf die Kleiderfetzen werfen lassen.«
»Der Mutter möchte ich das nicht zumuten«, sagte Kepplinger. »Aber einen Versuch bei Gerd Jessen wäre es wert. Zumindest hätten wir dann einen Anhaltspunkt. Die Rechtsmedizin wird bestimmt ein paar Tage brauchen.«
»Schwarz und Schubart sind schon auf dem Weg zu ihrem Zahnarzt. So haben wir noch eine weitere Möglichkeit, die Leiche zu identifizieren.«
Er dachte an das seltsame Kuvert und die Wanderkarte.
»Was meinst du, wer hat diesen Umschlag bei uns abgegeben?«
»Darüber zerbreche ich mir den Kopf, seit wir ihn bekommen haben.« Markus Ackermann zuckte mit den Schultern. »Vielleicht der Täter selbst.«
Kepplinger dachte über die Vermutung seines Kollegen nach und beobachtete unterdessen Lea, die alleine am Rand der Absperrung stand und auf den Fundort starrte. Sie schien sich unwohl zu fühlen. Er gab ihr ein Handzeichen, aber sie bemerkte ihn nicht.
»Ziemlich selten, dass ein Täter selbst zur Aufklärung beiträgt«, sagte er schließlich. »Wann wurde der Umschlag eingeworfen?«
»Zwischen neun und elf. Tagsüber wird die Post alle zwei Stunden geleert.«
Kepplinger überlegte, welche Möglichkeiten in Betracht kamen. »Nehmen wir an, dass es sich um Manuela Jessen handelt und die Karte tatsächlich von ihrem Mörder stammt. Warum möchte er, dass wir die Leiche finden?«
»Um beispielsweise den Verdacht von sich abzulenken.«
Er verstand, worauf sein Kollege anspielte. »Du denkst an Lars Kaufmann?«
»Ja, daran dachte ich. Andererseits hatte er wohl kaum die Möglichkeit, einen Abstecher nach Göppingen zu machen.«
»Nein, aber jemand könnte in seinem Auftrag gehandelt haben«, warf Kepplinger ein.
»Das stimmt natürlich. Meinst du, er hatte für den Fall seiner Festnahme bereits die entsprechenden Vorbereitungen getroffen?«
»Ich würde es ihm zutrauen, nach dem, was ich heute Morgen alles erfahren habe. Aber das erzähle ich dir später. Lass uns jetzt damit weitermachen.«
Kepplinger kam noch eine andere Idee. »Was, wenn ein Unbeteiligter die Leiche gefunden hat, und nichts mit der Polizei zu tun haben will?«
»Daran dachten wir auch. Aber es gibt
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