Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
den Griff löste, begann das Zittern von Neuem. Seine Kollegin schaute ihn besorgt an.
»Das kommt bestimmt von dem Schusswechsel gestern. Ich glaube, mir hängt das ganz schön nach.«
»Das glaube ich gern. Möchtest du im Wagen bleiben?«
»Auf gar keinen Fall!«
Nach und nach trafen Hundeführer, Spurensicherung, zwei weitere Streifenwagen und etliche Fahrzeuge der örtlichen Kripo ein. Just, der die Wohnungsdurchsuchung am Vortag koordiniert hatte, begrüßte sie.
Es dauerte lange, bis sie die schwere Metalltür hinter einem Werkzeugschrank in der Remise fanden. Der Zugang zu dem Gewölbe erinnerte an einen Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Tür war mit dicken Vorhängeschlössern gesichert. Während sich zwei Techniker mit den Verschlüssen abmühten, entdeckte Kepplinger einen elektrischen Winkelschleifer in der Schublade einer Werkbank.
»Damit könnte es schneller gehen«, er reichte ihnen die Maschine. Binnen weniger Sekunden waren die Bügel durchtrennt. Eine schmale Treppe führte mehrere Meter in die Tiefe. Das fahle Licht des Schuppens beleuchtete lediglich einen Teil des Treppenschachtes. Ein Lichtschalter war nicht zu finden. Nachdem sie Taschenlampen aus den Fahrzeugen geholt hatten, drangen die Einsatzkräfte zu einer weiteren Metalltür vor. Wieder hingen kräftige Bügelschlösser davor. Die Prozedur wiederholte sich. Jetzt standen die Beamten in einem Gewölbekeller, der mit vielerlei technischen Geräten ausgestattet war. Neuwertige Computer und Monitore. Ein Kopiergerät, Farbdrucker, Fotoapparate und Videokameras. Eine Akkuladestation, daneben einige Tausend Blatt Papier. Am Ende des Raumes führte ein Durchgang in einen weitläufigen Flur. Links und rechts des Ganges befanden sich mehrere Zimmer und ein Aufenthaltsraum. Außerdem gab es eine Küche, ein Bad und zwei Vorratsräume, die mit allen erdenklichen Nahrungsmitteln gefüllt waren. Konservendosen und verschiedene vakuumverpackte Lebensmittel in Aluminiumbeuteln waren sorgfältig bis unter die Decke gestapelt. Kepplinger sah sich in den Schlafräumen um. Alle waren mit mehreren Doppelstockbetten ausgestattet. In den Schränken befanden sich unzählige Decken und Bettwäsche, die alt und muffig roch. Alles wirkte unbewohnt. Bei näherem Betrachten fiel auf, dass alle Räume vor Kurzem aufwendig renoviert worden waren. Wie es aussah, hatte Lars Kaufmann keine Kosten und Mühen gescheut, seinen teuflischen Plan in die Tat umzusetzen. Lea entdeckte ein weiteres Zimmer, in dem ein Doppelbett und mehrere Lampenschirme standen, wie man sie aus Fotostudios kannte.
»Hier sollten also die Filme gedreht werden«, sagte er angewidert.
»Nicht auszudenken, was hier passiert wäre«, erwiderte Lea.
In einem Raum, der wahrscheinlich als eine Art Büro dienen sollte, fanden die Ermittler ein Regal voller Ordner, in denen steckbriefartig Hunderte Mädchen und Jungen abgebildet waren. Teilweise mit Angaben über Schule und Wohnort. Sie blätterten die Ordner eilig durch. Einen Hinweis auf Manuela Jessen konnten sie nicht entdecken.
Anschließend machten sich die Fachleute der Spurensicherung an die Arbeit. Sie wurden aufgefordert, nach draußen zu gehen. Moritz war froh, diesen Ort verlassen zu dürfen. Lea wirkte ähnlich erleichtert. Vor dem Haus wechselten sie ein paar Worte mit Just und den beiden Kollegen, die sie bei der Vernehmung von Kaufmann kennengelernt hatten. Alle standen unter Schock von den Eindrücken in den Kellerräumen. Keiner hatte jemals zuvor etwas Vergleichbares gesehen. Die Vorstellung, was in diesen Räumen hätte passieren sollen, belastete auch die erfahrenen Kollegen. Kepplinger bemerkte eine Kollegin der Kripo, die zusammengekauert am Boden saß und keinen Hehl aus ihren Tränen machte. Als sich ihre Blicke trafen, wandte er sich rasch wieder seinen Gesprächspartnern zu.
Sie vereinbarten, die Zeugenvernehmung auf die kommende Woche zu verschieben.
»Das eilt nicht. Ihr habt selbst einen Riesenfall zu bearbeiten. Wenn ihr Zeit habt, könnt ihr ein kurzes Gedächtnisprotokoll schreiben«, sagte Just.
»Wir halten euch in jedem Fall auf dem Laufenden.«
Nachdem sie sich verabschiedet hatten, bat Moritz Lea, den Wagen zu fahren.
»Alles in Ordnung bei dir?«, erkundigte sie sich.
»Ja. Es ist nur wegen der Hand. Das macht mir ein wenig Sorgen.«
In Wahrheit litt er unter den Eindrücken, die er bei der Begehung des Gewölbekellers gewonnen hatte. Zum wiederholten Male hatte ihn sein Beruf mit
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