Hochsommermord: Kriminalroman (German Edition)
offenbar keine brauchbaren Spuren am Fundort. Wenn, dann müsste derjenige mit einem Fernglas unterwegs gewesen sein und die Leiche zufällig entdeckt haben.« Diese Theorie fanden beide abwegig.
»Es gibt einfach zu viele Möglichkeiten, die uns im Moment nicht weiter bringen.« Kepplinger schüttelte den Kopf. »Wir müssen viel tiefer graben als bisher.«
Man sieht nur, was man weiß.
»Was war dein erster Gedanke, als du den Leichnam entdeckt hast?«
Markus Ackermann überlegte lange, bevor er antwortete. »Ich weiß es nicht mehr genau. Auf der Hinfahrt dachte ich, jemand hat sich einen Scherz erlaubt, um zu sehen, ob wir dem Hinweis nachgehen. Wir wussten ja nicht, nach was wir suchen sollten, und haben den Leichnam nicht sofort gefunden. Ohne die Hunde hätten wir ihn niemals entdeckt. Als ich schließlich selbst an der Fundstelle war, dachte ich, dass es nicht richtig ist, wenn ein Mensch einfach so im Wald liegt und langsam verfault. Und dann noch ein Kind. Der Anblick war – wie soll ich sagen – vulgär. Ja, so würde ich das beschreiben. Und ich hatte eine Ahnung, dass der Täter vor Kurzem an derselben Stelle stand und etwas Ähnliches gedacht hat. Hört sich blöd an, ich weiß, aber vielleicht ist das der Grund, warum er wollte, dass wir die Leiche finden.«
Kepplinger versuchte sich einen Reim auf das Gesagte und seine eigenen Eindrücke am Fundort zu machen. Dass der Täter Mitleid empfand, glaubte er nicht. Es musste einen anderen Beweggrund für den Hinweis an die Polizei geben.
Die Zeiger der Wanduhr in Gerd Jessens Wohnzimmer rückten auf fünf Uhr am Nachmittag vor, als Moritz Kepplinger und Lea Thomann eintraten.
»Möchten Sie etwas trinken?«
Sie lehnten ab. Moritz berichtete von dem Leichenfund.
»Dann ist sie also tot?« Die Stimme des Vaters klang gleichgültig. Als ob er jeden Augenblick mit dieser Nachricht gerechnet hätte.
Kepplinger widersprach, obwohl er dasselbe dachte. »Das wissen wir nicht, Herr Jessen. Wir haben lediglich eine Kindsleiche in der Nähe von Süßen gefunden.«
»Weiß ihre Mutter davon?«
»Nein, wir haben noch nicht mit ihr gesprochen.«
»Und was wollen Sie von mir?«
»Wir haben ein paar Kleidungsstücke dabei, die wir Ihnen zeigen möchten. Vielleicht können Sie uns sagen, ob sie Ihrer Tochter gehören.«
Gerd Jessen griff nach einer Bierflasche. Unter dem Wohnzimmertisch stand eine halbleere Kiste. Kepplinger fiel auf, dass in der Wohnung der Geruch von abgestandenem Bier hing.
»Gut, zeigen Sie her.«
Lea Thomann legte die beiden zerrissenen Stoffreste auf den Tisch. Gerd Jessen setzte eine Lesebrille auf und betrachtete sie eingehend.
Anschließend lehnte er sich zurück und schüttelte den Kopf.
»Nein. Mit diesen Kleidern habe ich Manu nie gesehen. Sie gehören ihr nicht.«
»Können Sie es vollkommen ausschließen?«
Er machte eine abfällige Handbewegung. »Was weiß ich, was meine Exfrau ihr alles gekauft hat. Wenn Manuela bei mir war, hatte sie so etwas nie an.«
Moritz sah zu Lea. Er glaubte ihm und wollte wissen, ob sie dasselbe dachte. Sie verstand und nickte ihm unauffällig zu.
»Ist Ihnen sonst noch irgendetwas eingefallen, Herr Jessen?«, setzte er das Gespräch fort.
»Nein, nichts.«
»Würden Sie mir nochmals sagen, um wie viel Uhr Sie mit Ihren Kegelfreunden am vergangenen Freitag losgefahren sind?«
Jessen starrte ihn angriffslustig an.
»Wieso, verdächtigen Sie etwa mich?«
»Beantworten Sie einfach die Frage.«
»Beantworten Sie meine Frage. Ich will wissen, ob Sie mir jetzt die Schuld in die Schuhe schieben wollen?«
»Die Schuld an was?«
Er sprang vom Sessel auf.
»Verdammt noch mal, stellen Sie sich nicht so blöd an. Sie wissen genau, was ich meine.«
»Beruhigen Sie sich.«
»Ich muss nicht antworten.«
»Damit machen Sie sich verdächtig, das ist Ihnen hoffentlich klar.«
Jessen ließ sich in den Sessel zurückfallen und dachte nach.
»Ich möchte mit einem Anwalt sprechen, bevor ich mit Ihnen weiterrede.« Demonstrativ verschränkte er die Arme vor dem Körper.
»Das können Sie gerne.« Kepplinger bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Aber im Moment befrage ich Sie als Zeugen, verstehen Sie? Wenn ich einen Verdacht gegen Sie hätte, würde ich Ihnen das rechtzeitig sagen.«
Wieder überlegte Jessen, bevor er antwortete.
»Gut. Wir haben uns um halb vier getroffen. Dann haben wir den Bus beladen und sind kurz vor vier losgefahren. In Geislingen haben wir getankt. Da gibt es sicherlich
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