Hochzeit auf griechisch
Sie und meine Schwester offenbar nachhingen.“ Er umfasste ihr Kinn und zwang Helen, ihm in die Augen zu sehen. „Überlegen Sie, was Liebe und Unabhängigkeit Delia eingebracht haben. Und dann sagen Sie mir, ob ich unrecht habe.“
Einen Moment lang war Helen sprachlos. Sie ballte dieHände in ihrem Schoß zu Fäusten, widerstand jedoch dem Drang, ihn zu schlagen. Seine Schwester war tot und sein höhnischer Kommentar ein Schlag unter die Gürtellinie.
„Oh! Und Ihr Weg ist so viel besser, ja? Sie haben schon eine Frau und einen Sohn verloren“, schoss sie zurück, auch wenn es ihr kurz darauf leidtat. „Zumindest befindet sich Nicholas hier in Sicherheit. Sie sind der verabscheuenswerteste Mann, dem ich je das Unglück hatte zu begegnen. Ich würde Ihnen nicht einmal meinen Goldfisch anvertrauen.“
Der Griff um ihr Kinn wurde stärker. Sie sah ein, dass sie zu weit gegangen war. Wenn sie Nicholas nicht verlieren wollte, musste sie mit diesem Mann auskommen. Nur wie sie das anstellen sollte, wusste sie nicht.
Plötzlich ertönte eine kindliche hohe Stimme von der Küchentür her. „Lass meine Helen los, du böser Mann!“
Wütend durchquerte der Junge das Zimmer und trat gegen Leons Schienbein. Augenblicklich ließ Leon sie los und trat einen Schritt zurück. Verwundert blickte er zu dem kleinen Kind hinunter, das sich nun an seinem Bein festklammerte.
„Es ist alles in Ordnung, Nicholas.“ Helen sprang von dem Stuhl auf und kniete sich neben den Jungen. „Er ist kein böser Mann.“ Sie legte einen Arm um die Schultern des Kleinen und drehte ihn zu sich herum. „Er ist der Bruder deiner Mutter. Dein Onkel.“ Vertrauensvoll schlang Nicholas seine Ärmchen um ihren Nacken, und sie stand auf. „Er ist wirklich sehr nett. Und er ist den weiten Weg aus Griechenland gekommen, nur um dich zu sehen.“
„Nur um mich zu sehen“, wiederholte der Junge und richtete den Blick aus großen dunklen Augen auf den schweigenden Fremden. Nicholas hatte die gleichen Augen wie seine Mutter. „Du bist mein Onkel. Bleibst du jetzt bei uns?“
„Ja, das würde ich gerne“, bestätigte Leon. „Wenn du esmir erlaubst“, fügte er lächelnd hinzu. „Du erinnerst mich sehr an meine Schwester Delia.“
„Sie hat versprochen, uns zu besuchen, aber sie ist nicht gekommen“, erwiderte Nicholas. „Aber sie hat mir ein Bett geschenkt, das wie ein Auto aussieht, und ganz viele Spielsachen.“ Er entwand sich Helens Umarmung und blickte schüchtern zu Leon empor. „Möchtest du sie sehen?“
Sprachlos vor Wut, beobachtete Helen, wie Leon niederkniete und die Hand des Jungen ergriff. Wie konnte er es wagen, Nicholas zu sagen, er würde bei ihnen bleiben?
„Sehr gern.“
„Toll, komm mit.“ Ungeduldig zerrte Nicholas an der großen Hand seines Onkels.
„Einen Moment.“ Helen fand endlich ihre Stimme wieder. „Zunächst einmal, Nicholas, was machst du hier unten? Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht alleine die Treppe hinuntergehen darfst.“
Wegen der Ereignisse der letzten Stunden hatte sie es ganz vergessen. Nicholas schlief nicht mehr in seiner Wiege, sondern in dem neuen Bett, aus dem er natürlich jederzeit selbstständig aufstehen konnte. Helen hatte überhaupt nicht mehr daran gedacht, die Treppe mit dem hölzernen Kindergitter abzusperren. Sie fühlte sich unendlich schuldig. „Du hättest fallen können.“
„Ich bin sicher, Nicholas ist schon ein großer Junge, der nicht mehr die Treppe hinunterfällt“, verkündete Leon, während er aufstand. „Das stimmt doch, oder?“
„Ja“, erwiderte Nicholas freudestrahlend. „Wie heißt du?“
„Leon Aristides.“ Der große Mann grinste seinen kleinen Neffen an. „Du kannst mich Onkel oder Leon nennen. Ganz wie du willst.“
Sie sah den beiden nach, während sie aus der Küche gingen, um das neue Bett zu begutachten. Ein kalter Schauerder Furcht lief Helen über den Rücken. Ihr Einwand, Nicholas müsse erst seinen Saft trinken und sein Nachmittagsplätzchen essen, wurde von dem Jungen mit dem offenbar typisch männlichen Habitus der Aristides’ abgelehnt.
„Du kannst mein Essen machen, wenn ich Onkel Leon mein Bett zeige.“
Auch ihre Bedenken, er müsse sich erst anziehen, wurden beiseitegefegt. Diesmal von Onkel Leon mit einem gemurmelten: „Kein Problem. Ich mache das.“
Schweren Herzens sah sie sich in der Küche um. Delia war tot, und irgendwie musste sie es Nicholas sagen. Ihr Blick fiel auf die Weinflasche. Eine Sekunde lang
Weitere Kostenlose Bücher