Hochzeit auf griechisch
war Helen versucht, ihren Kummer in Alkohol zu ertränken. Doch sie musste stark sein für Nicholas. Sie schuldete es ihrer Freundin, dass sie sich um den Jungen kümmerte – ganz gleichgültig, was Leon Aristides plante.
Sie begann, die Gläser im Spülbecken abzuwaschen. Auf keinen Fall, schwor sie sich, werde ich mich an den Rand von Nicholas’ Leben drängen lassen.
Im Gegensatz zu dem, was Leon Aristides glaubte, war sie nicht nur die kleine halbtags arbeitende Hüterin der Kinderkrippe. Während der vier Jahre, in denen sie ihren Großvater gepflegt hatte, hatte Helen von zu Hause aus studiert. Auch in den ersten drei Jahren als Nicholas’ Pflegemutter hatte sie das Fernstudium fortgesetzt und vor vielen Monaten den Abschluss in Kunstgeschichte bestanden.
Außerdem war sie nicht so arm, wie Leon vermutete. Nach dem ersten Schlaganfall hatte ihr Großvater das Land um das Haus herum an einen internationalen Hotelkonzern verkauft. Daraufhin war das Fox-Tower-Hotel auf dem Grundstück erbaut worden. Damit hatte er auf lange Sicht für seine Enkelin gesorgt.
Nach dem Tod ihres Großvaters hatte sie sein Vermögen geerbt, zusammen mit dem Geld aus der Lebensversicherung ihrer Eltern, das er bislang für sie verwaltet hatte.Helen war alles andere als mittellos.
Zudem arbeitete sie freiberuflich als Illustratorin. Drei Kinderbücher hatte sie bereits illustriert, die alle in die Bestsellerliste gekommen waren. Das hatte Helen einen lukrativen Vertrag eingebracht, auch für die restlichen Bände der achtteiligen Serie die Bilder zu malen. Die Arbeit in der Krippe hatte sie angenommen, weil ihr der Umgang mit Kindern Spaß machte. Unter den gegebenen Umständen war ihr Leben so perfekt, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Bis heute.
Sie öffnete den Kühlschrank, nahm den Saft heraus und stellte die Tüte neben Nicholas’ Lieblingstasse aus Plastik und die Keksdose. Unschlüssig straffte Helen die Schultern. Was sollte sie jetzt tun?
Leise ging sie in den Flur, bis sie am Fuß der Treppe stehen blieb. Von oben drangen gedämpfte Stimmen zu ihr hinunter, dann hörte Helen kindliches Gelächter. Sie wollte zu den beiden gehen. Stattdessen schlenderte sie aber den Flur auf und ab. Vor dem kleinen Tisch hielt sie inne und griff nach der Post. Werbung und ein Brief. Den Absender kannte sie nicht. Sie zuckte zusammen, als sie erkannte, dass es eine Anwaltskanzlei war. Nachdem Helen das Schreiben dreimal gelesen hatte, ließ sie es in die kleine Schublade des Tischchens fallen.
Zurück in der Küche, sah sie blicklos aus dem Fenster. Erst jetzt wurde Helen die Endgültigkeit der Situation wirklich bewusst. Leon hatte die Wahrheit gesagt. Der Brief des Anwalts war knapp gehalten, beinhaltete aber das Wesentliche. Er bestätigte, dass Delia tot und Helen als Erbin in ihrem Testament eingesetzt war.
Seufzend wandte sie sich um. Sie musste etwas tun, um sich von dem Schmerz und dem Leid abzulenken. Vielleicht sollte sie das Abendessen vorbereiten. Gewöhnlich aßen sie um sechs, bevor Nicholas badete und zu Bett ging. Rühreier mit gebratenem Schinken und gegrillten Tomaten, das war sein Lieblingsessen. Gerade als sie nach dem Körbchen mit den Eiern griff, kehrten Nicholas und Leon zurück in die Küche.
„Onkel Leon mag mein Bett“, verkündete Nicholas mit einem glücklichen Grinsen. „Er hat versprochen, mir eines zu besorgen, das genauso aussieht, wenn wir in seinem Haus in Griechenland leben. Ist das nicht prima?“
Mit einem bösen Blick auf den großen Mann neben ihm, hob sie Nicholas auf die Arme. „Ja, ganz fantastisch“, stieß sie beherrscht hervor und setzte den Jungen in seinen Kinderstuhl. „Und jetzt trink deinen Saft und iss deine Plätzchen, während ich mich um das Abendessen kümmere.“ Gegen ihren steifen Tonfall konnte sie nichts tun. Helen war so aufgebracht, dass es sie ihre gesamte Kraft kostete, höflich zu bleiben.
Es sollte noch schlimmer kommen.
4. KAPITEL
Drei Stunden später saß Helen neben Nicholas’ Bett und las ihm eine Gutenachtgeschichte aus Der Hase Rex und die gute Fee vor. Es war das erste Buch, das sie illustriert hatte. Nicholas liebte die Geschichten um den ungezogenen Hasen, dem die gute Fee immer aus der Patsche helfen musste. An der Wand über seinem Bett hing das Originalbild der Fee.
Für Helen war dies normalerweise die schönste Zeit am Tag. Aber der heutige Abend, da Leon Aristides auf der anderen Seite des Bettes stumm zuhörte, fühlte sie sich
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