Hochzeit auf Raten
bestanden.
Erschöpft sank ich auf meinen Sessel. Zweifellos war an mir ein hervorragender Jurist verlorengegangen.
Angeregt machte ich mich neuerlich an die Lektüre und studierte die weiteren Scheidungsgründe.
Da war zunächst einmal die »Zerrüttung infolge Geistesstörung«. Nein, damit war nichts anzufangen. Auch die ansteckenden Körperkrankheiten sowie das ekelerregende Äußere boten wenig Aussicht auf Erfolg. Dasselbe galt für die »grundlose, beharrliche Verweigerung der Fortpflanzung«.
Interessanter schien schon das Kapitel, in dem der »Ehebruch« und die »anderen Eheverfehlungen« behandelt wurden. Ehebruch war nach dem »Scheidungsanwalt« die »freiwillige, bewußte Verletzung der ehelichen Treue«.
Die Vorstellung, daß Isabell »freiwillig und bewußt« das getan haben könnte, regte mich so auf, daß mich an Stelle des »Scheidungsanwalts« nach dem Strafgesetzbuch gelüstete, um nachlesen zu können, welche Strafen auf Totschlag durch Erwürgen standen.
»Alle diese Dinge«, so hieß es schließlich, »sind sehr schwer nachzuweisen, da der Ehepartner erfahrungsgemäß bei den Verfehlungen nicht zugegen ist.«
Ich bewunderte den scharfen Verstand des Verfassers.
Für alle Fälle unterstrich ich einmal die einschlägigen Stellen mit Rotstift, den Passus »boshafte Bereitung von Seelenschmerz« sogar dreimal.
Das Schlußkapitel enthielt einen Blick in die Zukunft.
»So beklagenswert es für Sie und die gesamte Gesellschaftsordnung sein mag, eine Trennung wird in vielen Fällen der einzige Ausweg bleiben. Vor allem dann, wenn ein gegenseitiges Verstehen nicht mehr zu erhoffen ist. Die seelische Belastung, die Sie damit auf sich nehmen, wird noch immer gering sein im Vergleich zu den Qualen, die eine Fortführung der unerträglich gewordenen Gemeinschaft mit sich bringen würde. Sie werden sich am Ende frei und erleichtert fühlen.«
Weiter kam ich nicht. Hier knallte ich den »Scheidungsanwalt« an die Wand und versank in dumpfes Brüten.
Ein Geräusch am Fenster schreckte mich auf. Ja, da war es wieder. Es klang, als hätte jemand ein Steinchen gegen die Scheibe geworfen. Mit einem Sprung war ich dort und riß den Fensterflügel auf.
Direkt unter mir stand Isabell, neben sich ein Taxi.
»Du!« schrie ich, als gelte es, die gesamte Nachbarschaft aufzuwecken.
»Ja ich!« schrie sie zurück.
»Ich komme!«
Auf der Treppe nahm ich drei Stufen auf einmal, hinter mir die sperrangelweit offene und festlich beleuchtete oberstliche Wohnung. Fünfzehn Sekunden später raste ich wieder nach oben, nachdem ich festgestellt hatte, daß der Haustorschlüssel auf meinem Schreibtisch geblieben war.
Endlich war es soweit. Ich öffnete schnaufend das Tor, das sich durchaus auch als Panzersperre geeignet hätte.
»Ich bin in Eile«, sagte sie, »das Taxi wartet.«
Mit klopfendem Herzen zog ich sie hinauf, in der ängstlichen Erwartung, jeden Augenblick auf die Frau Oberst zu stoßen. Ihre Drohung »Damenbesuch ist ein Kündigungsgrund« stand in Flammenschrift vor meinen Augen. Doch das Wunder geschah, sie schlief den Schlaf des müden Kriegers, der auf die Aufmerksamkeit der Schildwache vertraut. Laut und beruhigend drangen die Schnarchtöne aus ihrem Zimmer. Ich pries ihre Kopfschmerzen, die sie zwangen, ihren Kopf in der Nacht in einem Verließ aus Wolltüchern schalldicht einzuschließen.
»Was führt dich zu mir?« fragte ich reserviert, nachdem ich ihr steif Platz angeboten hatte.
»Er war bei dir?« stieß sie hervor.
Ich bejahte.
»Was hat er dir erzählt?«
»Was du mir längst hättest erzählen sollen.«
»Ich wußte, daß du alles mißverstehen würdest.«
»Oh, ich habe es sehr gut verstanden.«
Mit einemmal hing sie an meinem Hals: »Quäl mich nicht, hörst du! Zu Hause hat es einen Riesenkrach gegeben. Das ist auch der Grund, warum ich unsere Verabredung nicht einhalten konnte. Ich bin mitten in der Nacht weg, ohne daß sie es bemerkt haben.«
»Es ist nicht meine Schuld!«
»Wer spricht denn von Schuld —«
»Ich«, rief ich und trat nach der nächsten Topfpflanze. »Du hast mich belogen, wie du alle Welt belügst. Du hast mir verschwiegen, daß es einen Mann gibt, der sich einbildet, auf dich Rechte zu haben.«
»Niemand hat ein Recht auf mich, außer dir.«
»Umsonst beschäftigt man nicht monatelang ein Detektivbüro.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Was hat er dir erzählt?« fragte sie leise.
»Das werde ich dir sagen«, höhnte ich, »damit du
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