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Hochzeit auf Raten

Hochzeit auf Raten

Titel: Hochzeit auf Raten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Georg Kaufmann
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kennenzulernen.«
    »Liebling«, sagte sie, »die Leute behaupten, du hättest einen deiner Herzanfälle.«
    »Unser Zug geht in achtundvierzig Minuten«, versetzte ich böse, ohne meine Lage zu verändern.
    Sie nahmen rechts und links von mir auf dem Boden Platz, während ich den ungebetenen Gast mit unverhohlener Abneigung musterte.
    Was sie doch für einen kuriosen Geschmack entwickelte? Er war ein unscheinbares ältliches Männchen mit einer ungefaßten Brille auf der spitzen Nase, die ihm den Ausdruck eines zutraulichen Pelikans verlieh. Mit seiner weißen, glatten Haut hätte er sich in der Milchwerbung ein Vermögen verdienen können.
    »Der Herr war so freundlich, mich zu einer kleinen Bootsfahrt einzuladen«, sagte sie.
    »Ich entschuldige mich, Sie nicht vorher um Ihr Einverständnis gebeten zu haben«, sagte er.
    »Unser Zug geht in siebenundvierzig Minuten.«
    »Es wäre nett«, sagte sie, »wenn wir jetzt etwas von deiner Liebenswürdigkeit zu sehen bekämen.«
    »Ich bin zu jeder Genugtuung bereit«, sagte er.
    »Unser Zug geht in sechsundvierzig Minuten.«
    »Das Hotel gibt heute abend eine kleine Party«, sagte sie. »Ich bin überzeugt, daß wir uns wundervoll amüsieren werden.«
    »Ich fürchte«, sagte er mit einem Blick auf die schwellenden Formen meines Koffers, »daß Sie keinen gebügelten Anzug mehr haben werden.«
    »Unser Zug geht in fünfundvierzig Minuten.“
    »Schatz«, sagte sie, »du wirst dich todsicher als Mann bewähren.«
    »Versuchen Sie«, sagte er, »in mir einen Gentleman zu sehen.«
    »Unser Zug geht in vierundvierzig Minuten.«
    Nun, er mochte in vierundvierzig Minuten gegangen sein. Auf jeden Fall ging er ohne uns.

10

    Zur Zeit der fahrplanmäßigen Abfahrt stand ich vor dem Spiegel und band mir eine der Krawatten, die mir Isabell zu Weihnachten geschenkt hatte. Eine Schöpfung in Hellgelb, die durch ihre Musterung — ich glaubte darin Querschnitte durch einen bestimmten Körperteil zu erkennen — bereits die Sinnlosigkeit ihrer Existenz bewies.
    Mir war wie vor einem Sturmangriff zumute. Nur der Helm fehlte und das Sturmgewehr.
    Isabell lief im Zimmer nervös auf und ab, als stünde sie vor ihrem Debüt an der Wiener Staatsoper. Einmal rückte sie meine Krawatte nach links, dann wieder nach rechts. Wenn ich sie anknurrte, küßte sie mich zärtlich auf die Nasenspitze.
    »Du wirst einen großen Auftritt haben«, sagte sie, »du bist unwiderstehlich ekelhaft.«
    »Ich werde mich sinnlos betrinken«, drohte ich.
    »Das ist im Programm vorgesehen.«
    Offenbar ahnte sie noch immer nicht, daß ihr die Zügel längst entglitten waren.
    Als die Party begann, war kein Mensch mehr nüchtern. Am wenigsten ich. Eine Legion leerer Aperitifgläser ließ die Prophezeiung zu, daß man von diesem gesellschaftlichen Ereignis noch nach Jahrzehnten reden würde.
    Dementsprechend fiel auch die Begrüßung aus. Es war, als träfen sich Fallschirmkameraden aus dem letzten Krieg.
    Isabell und ich erhielten mit dem Segelbootfahrer einen gemeinsamen Tisch im Mittelpunkt des Geschehens. Meine Stimmung war eine Mischung aus der Unzufriedenheit eines ungewickelten Säuglings und der Aggressivität eines italienischen Räuberhauptmannes. Trotzdem wäre ich vielleicht damit zufrieden gewesen, unanständige Witze zu machen, den Segelbootfahrer zu beleidigen und aus den Servietten hübsche Häuschen zu bauen, wenn es nicht das Unglück gewollt hätte, daß eine kleine Kapelle vorhanden war, daß diese Kapelle Musik machte und daß man tanzte.
    Musik und Tanz sind zwei Dinge, die mich nie unbewegt lassen. Nicht daß ich ein besonders leidenschaftlicher oder gar erfolgreicher Tänzer gewesen wäre, Gott bewahre, aber manchmal neigte ich dazu, mir das einzubilden. Diesmal war manchmal.
    Nachdem ich die Kunst der anderen starren Blicks beobachtet hatte, verlangte es mich heftig nach der Arena.
    Isabell erklärte sich nach einigem Zögern, kommendes Unheil ahnend, zu einem Versuch bereit.
    Die Sache fing auch in der Tat nicht ausgesprochen glücklich an, da ich ihr, noch ehe wir die Tanzfläche erreicht hatten, kräftig auf die neuen Sommerschuhe trat. Sie belegte mich mit wenig feinen Bezeichnungen aus dem Tierreich. Dann hatten wir Meinungsverschiedenheiten über das, was zu tanzen war. Sie behauptete, es sei ein Rock 'n' Roll, ich war mehr für einen Tango. Dabei war es völlig bedeutungslos, hielt ich mich doch an meinen Bundeseinheitsschritt, den ich je nach Bedürfnis verlangsamte oder

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