Hochzeit im Herbst
drehte sich um und holte den Senf aus dem Kühlschrank. „Meine Eltern waren schon immer sehr erleichtert, wenn ich mal eine ganze Woche lang nicht in das Büro des Schulleiters bestellt wurde, weil ich wieder irgendwas ausgefressen hatte. Ich war ein wilder Junge. Deine müssen sehr stolz auf dich gewesen sein.”
„Sie sind beide ebenfalls sehr erfolgreich in ihrem Beruf”, gab sie zurück.
„Mein Vater ist ein bekannter Chirurg, und meine Mutter ist Chemieprofessorin. Natürlich haben sie stets von mir erwartet, dass ich mich ebenfalls hervortue. Noch weitere Fragen?”
Sumpfgebiet, dachte er, und plötzlich tat es ihm leid, dass er dafür verantwortlich war, dass ihr Gespräch eine Wendung genommen hatte, die ihr unangenehm war. Er wollte, dass sie wieder lächelte.
„Verrat mir doch nur noch eins. Was hast du eigentlich unter diesem Hemd an?”
„Das Übliche.”
„Ach ja?”
Sie lächelte, während sie die Schinkenplatte auf den Tisch stellte.
„Vielleicht willst du ja selbst nachsehen.”
„Offen gestanden, ja.”
Als er die Hand nach ihr ausstreckte, schlüpfte sie lachend unter seinem Arm hindurch. „Nach dem Essen.”
Er lächelte, in seinen Augen tanzten belustigte Fünkchen. Er sah herrlich gefährlich aus. „Ich will aber nichts essen.”
„Du musst aber. Sonst geht dir nachher beim Jaucheversprühen die Puste aus.”
„Ich habe gut gefrühstückt. Ein großes, spätes Frühstück.” Feixend griff er wieder nach ihr, doch sie schaffte es erneut, ihm zu entwischen. „Du bist schnell.”
„Ich weiß.”
Jetzt hatte er sie doch erwischt. Er legte den Arm um ihre Taille und hob sie hoch. „Aber ich bin noch schneller.”
Es verblüffte sie festzustellen, dass er sie mit einem Arm hochheben konnte. Sie fand es verwirrend und erregend zugleich. „Nur weil ich es zugelassen habe, dass du mich fängst.”
„Niemals.” Er küsste sie, dann wirbelte er sie ein paarmal im Kreis herum.
„Mir wird ganz schwindlig.” Lachend klammerte sie sich an seine Schultern.
„Gut so.” Wieder wirbelte er sie herum, noch schneller als zuvor, und ergötzte sich an ihrem fröhlichen Lachen, das ihm plötzlich erregend bekannt vorkam. Ebenso bekannt wie ihr Körper, der sich eng an seinen schmiegte.
„Lass mich runter, du Verrückter. He, John, lass mich runter!” Alles drehte sich vor ihren Augen. „Das Essen brennt an.”
Sie konnte es schon riechen. Sie würde wieder einmal den Topf endlos scheuern müssen. Sie konnte ihn riechen – er roch nach Schweiß und Rauch und Tieren …
Shane fühlte Panik und noch etwas anderes, das er nicht benennen konnte, in sich aufsteigen. Er setzte Rebecca ab und schüttelte sie leicht.
„Rebecca. Was ist?”
„Da war es wieder. Genau wie vergangene Nacht.” Ihr Gesicht war weiß wie ein Bettlaken, und ihre Stimme klang matt und verträumt …
„Ich habe einen Eintopf auf dem Herd. Jetzt ist er leider etwas angebrannt. Holst du noch ein bisschen Holz fürs Feuer?” Sie starrte ins Leere und presste sich die Hand auf den Bauch. „Diesmal wird’s ein Mädchen, ich spüre es. Johnnie wird eine Schwester bekommen …”
Einen Moment später, fast so, als ob man ein Licht anknipste, wurden ihre Augen wieder klar. „Meine Geräte.” Rebecca riss sich von Shane los und rannte ins Wohnzimmer. „Hier, schau her! Schau auf die Skala, was für eine Unmenge an Energie registriert wurde. Viel mehr als letzte Nacht. Und ich spüre sie, ich kann sie deutlich spüren, sie liegt in der Luft.”
Er beobachtete schweigend, wie sie ihre Ausrüstung überprüfte, sich konzentriert Notizen machte und schließlich ihr Diktiergerät einschaltete, um das, was sie erlebt und gemessen hatte, auf Band zu sprechen.
Nachdem sie fertig war, schaltete sie den Rekorder wieder aus und seufzte. „Das war unglaublich, absolut unglaublich. In der vergangenen Nacht saß ich in der Küche, und ich konnte direkt beobachten, wie sich der Raum veränderte. Er war kleiner, und im Herd brannte ein Feuer, auf dem Küchenfenster stand Kuchen zum Auskühlen. Und im Stockwerk über mir weinte ein Baby, Shane.” Ihre Augen glänzten. „Ich habe das Weinen des Babys auf Band. Ich habe es tatsächlich aufgenommen, kannst du dir das vorstellen?”
Sie presste die Handflächen gegen ihre erhitzten Wangen und lachte.
„Ich konnte es selbst kaum glauben, aber nachdem ich es mir mehr als ein Dutzend Mal vorgespielt hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als es zu akzeptieren. Um
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