Hochzeit im Herbst
dieses Ereignis gebührend zu feiern, habe ich schließlich den Wein aufgemacht. Ich wollte es dir schon heute Morgen erzählen, aber da hast du mich ja abgelenkt.”
„Abgelenkt.”
In seinem Ton lag eine Schärfe, die sie aufhorchen ließ. Als sie sein Gesicht sah, wich ihr die Farbe aus den Wangen. Er war blass und wirkte so verschlossen, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. Der Blick seiner grünen Augen war hart.
„Worüber ärgerst du dich?”
„Ich kann diesen Unsinn nicht mehr hören”, erwiderte er heftig.
„Das ist nicht alles.”
„Hör auf, mir mit diesem Kram in den Ohren zu liegen. Das ist ja nicht auszuhalten.”
Sie schaute ihn forschend an. „Du bist nicht wütend”, stellte sie schließlich fest. „Du hast Angst.”
Er kniff die Augen zusammen. „Ich habe zu tun.”
Als er Anstalten machte, das Zimmer zu verlassen, stürzte Rebecca auf ihn zu und hielt ihn am Arm fest. „Du hast mir versprochen, mich bei meiner Arbeit zu unterstützen, Shane.”
„Vergiss es.” Er schüttelte ihre Hand ab. „Lass mich in Frieden.”
Sie verstellte ihm den Weg. „Du hast vorhin genau dieselbe Erfahrung gemacht wie ich. Ich weiß es, ich sehe es dir an.”
Seine Geduld war erschöpft. Er streckte den Arm aus, schob Rebecca beiseite und ging zur Tür. „Ich habe gesagt, dass du damit aufhören sollst.”
„Wer waren John und Sarah?” Sie atmete auf, als er stehen blieb und sich umdrehte. „Sie hieß Sarah. Wer war sie, Shane? Wo waren wir vor ein paar Minuten?”
„Ich bin genau dieselbe Person wie vor ein paar Minuten auch. Und du bist es ebenfalls. Wenn du vorhast, dieses Spiel noch weiterzuspielen, von mir aus – aber ohne mich.”
„John und Sarah”, wiederholte sie. „Waren es John und Sarah MacKade? Deine Vorfahren?”
Wortlos ging er hinaus. Rebecca folgte ihm in die Küche. Shane ging steifbeinig zum Kühlschrank, öffnete ihn und holte eine Flasche Bier heraus. Nachdem er mit mehr Kraft, als erforderlich gewesen wäre, den Kronkorken abgehebelt hatte, setzte er die Flasche an die Lippen und trank sie in einem Zug bis zur Hälfte leer. Als Rebecca ihre Frage zum dritten Mal stellte, wirbelte er herum. In seinen Augen loderte Zorn.
„Meine Urgroßeltern. Bist du jetzt zufrieden?”
Sie stieß einen langen Seufzer aus. „Ich verstehe. Und sie haben hier in diesem Haus gelebt, nicht wahr? Sie waren die, die versucht haben, dem jungen Soldaten das Leben zu retten.”
„So sagt man.”
„Und du hast heute nicht zum ersten Mal so etwas erlebt. Du hattest schon öfter solche Visionen, oder wie auch immer man das bezeichnen soll. Gib’s zu.”
Er sah, wie sie auf ihren Computer blickte, und biss die Zähne zusammen. „Nein. Nein, ich will verflucht sein, wenn ich mich von dir als Versuchskaninchen missbrauchen lasse.”
„Okay. Ist ja gut. Es tut mir leid.” Sie ging auf ihn zu und legte ihm die Hand auf den Arm. „Aber ich finde, du solltest wissen, dass ich vor einiger Zeit immer wiederkehrende Träume hatte. Und jetzt weiß ich, dass ich damals von diesem Haus hier geträumt habe und von diesen Leuten.”
Er setzte die Flasche ab, schweigend. Rebecca wartete einen Moment und fragte sich bang, ob sie zu weit gegangen war. Auf so viel Intimität waren sie möglicherweise nicht vorbereitet. Aber die Flinte ins Korn werfen wollte sie jetzt auch nicht.
„Diese Träume waren der Hauptgrund dafür, dass ich angefangen habe, Untersuchungen auf diesem Gebiet anzustellen. Sie waren – sind – so real, Shane. Ich habe diesen Raum hier gesehen, das Haus. Wie es vor mehr als hundert Jahren war. Und John und Sarah. Ich könnte sie dir genau beschreiben. Ich weiß nicht, ob du vielleicht alte Fotos von ihnen hast, die das, was ich im Traum gesehen habe, untermauern könnten. Ich kann dir sogar sagen, was sie gedacht und gefühlt, was sie sich gewünscht haben.
Und ich bin überzeugt davon, dass es dir genauso geht.”
„Nein”, gab er kategorisch zurück. Es klang endgültig. Aber es war eine Lüge. Sie spürte es deutlich. „Ich habe so etwas noch nie erlebt und glaube nicht an diesen ganzen Unsinn.”
Frustriert hob sie die Hände. „Glaubst du, dass ich mir das alles nur einbilde? Dass ich einfach nur maßlos übertreibe? Vielleicht um mich wichtig zu machen oder so?”
„Ich glaube einfach nur, dass in deinem superschlauen Köpfchen ein paar Dinge wild durcheinanderlaufen.” Seine Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. Er trank noch einen Schluck Bier. „Ich
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