Hochzeit im Herrenhaus
irgendwann einmal um ihre Hand anzuhalten. Seit er sein Erbe angetreten hatte, dachte er etwas ernsthafter über eine Ehe nach – und über den Frauentyp, der am besten zu ihm passen würde. Dieses Idealbild entsprach keiner der geistlosen, zärtlichen Blondinen, die er bisher bevorzugt hatte. Und Caroline wäre ohne jeden Zweifel eine wundervolle Viscountess. Zumindest hatte er das vermutet, bis eine ungewöhnliche junge Dame ganz plötzlich in sein Leben getreten war und ihn gezwungen hatte, neue Pläne zu schmieden.
Nicht sofort, aber schon bald nach der ersten Begegnung hatte er sich in mancher Hinsicht zu ändern begonnen. Und er fand es immer noch erstaunlich, dass allein schon ihre Anwesenheit unter seinem Dach genügte, um ihn zu veranlassen, den Landsitz seiner Ahnen mit anderen Augen zu betrachten. Früher hatte er jede Gelegenheit genutzt, um dem düsteren alten Gemäuer zu entfliehen. Und jetzt herrschte heitere Zufriedenheit in Greythorpe Manor – einfach nur, weil Miss Annis Milbank darin wohnte.
Noch erstaunlicher war die Seelenverwandtschaft, die ihn mit ihr verband. Im Lauf seines Lebens war er sehr wenigen Frauen begegnet, mit denen er eine so intensive, rein platonische Beziehung genossen hatte – zumindest keinen jungen, begehrenswerten Damen. Die Gesellschaft einiger etwas reiferer Frauen hatte er gesucht, um anregende, geistreiche Gespräche zu führen. Andere, jüngere, hatten ihn ausschließlich auf erotische Weise gereizt. Kaum eine war ihm jemals als geeignete Braut erschienen, und wenn, dann nur kurzfristig.
Vor Annis Milbanks Ankunft in Greythorpe Manor hatte er nicht geglaubt, eine einzige Frau könnte
alle
seine Bedürfnisse erfüllen. Attraktiv und intelligent, war sie auch in moralischer Hinsicht über jeden Verdacht erhaben, dabei aber äußerst unkonventionell, was ihren natürlichen Charme noch steigerte.
O ja, er verstand sehr gut, warum Colonel Hastie an ihrer Seite so entspannt und zufrieden wirkte. Er selbst wurde ihrer Gegenwart niemals müde. Und er bezweifelte, dass sie ihn jemals langweilen würde, denn er fühlte sich nicht nur körperlich zu ihr hingezogen.
An diesem Abend fand er ihr fein gezeichnetes Gesicht und ihre wohlgeformte Figur besonders reizvoll. Als sie die Treppe herabgestiegen war, hatte sein Atem gestockt. Und weil ihr Wesen ihn ebenso bezauberte, stand es einwandfrei fest – eine bessere Gemahlin konnte er sich nicht wünschen.
Aber warum hatte seine belanglose Bemerkung über die Juwelen ihren Ärger erregt? Das beunruhigte ihn, denn normalerweise pflegte sie kein Wort auf die Goldwaage zu legen. Und sie war auch nicht übertrieben empfindlich oder leicht zu kränken. Eigentlich durfte sie sich nicht beleidigt fühlen – nur weil er erwähnt hatte, er würde lieber Smaragde an ihr sehen. Hatte er eine Barriere durchdrungen, hinter der sie sich verschanzte? Großer Gott, wovor wollte sie sich schützen?
Wie auch immer, weder dieser Ort noch der Zeitpunkt eigneten sich für solche Grübeleien. Deshalb musste er einen günstigeren Moment abwarten, um das Rätsel zu lösen. Und so frage er Caroline, die ihre enttäuschte Hoffnung auf seinen Heiratsantrag mit bewundernswerter Fassung hinnahm: “Würdest du mir die Ehre des ersten Kontertanzes erweisen? Wenn ich mich nicht irre, wird die Musik bald erklingen.”
Als erfahrene Gastgeberin hatte Lady Fanhope berücksichtigt, dass mehrere junge Leute die Party besuchen würden, und eine ältere Dame gebeten, am Pianoforte zum Tanz aufzuspielen.
Caroline beobachtete, wie die Freundin ihrer Mutter an dem kostbaren Instrument Platz nahm, das in einer Ecke des Salons stand. Dann wandte sie sich wieder zu Greythorpe, die schönen blauen Augen voller Wehmut. “Sehr gern, Deverel. Aber du musst dich zu nichts verpflichtet fühlen, wenn du keine Lust hast, mit mir zu tanzen.”
Während er ihren Arm ergriff und sie zur Tanzfläche führte, bekundete sein Lächeln echte Zuneigung. Vermutlich würde sie immer einen besonderen Platz in seinem Herzen einnehmen. “Glaub mir, Caroline, nichts würde mir größeres Vergnügen bereiten.”
Das meinte er ernst. Sie war eine versierte, anmutige Tänzerin, die sogar komplizierte Schritte formvollendet beherrschte. Bedauerlicherweise hatte er mit seiner zweiten Partnerin nicht so viel Glück. Entweder war sie nervös oder von Natur aus ungeschickt – jedenfalls trat sie ihm immer wieder auf die Füße. Doch er riskierte trotzdem weitere Unannehmlichkeiten, indem er
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