Hochzeit im Herrenhaus
Gemahlin eines Aristokraten dulden würde? Wenn er wirklich glaubte, sie würde sich in törichten Illusionen wiegen, würde sie ihn sofort eines Besseren belehren.
“Vielleicht hast du es noch nicht festgestellt, Cousin Deverel …”, begann sie in frostigem Ton, als die Kutsche vor dem imposanten Eingang von Fanhope Hall hielt. “Ich lege keinen Wert auf kostbaren Schmuck. Da ich einen sehr einfachen Geschmack habe, finde ich keinen Gefallen an den Symbolen des Reichtums oder illustrer gesellschaftlicher Positionen. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.”
Bevor er aus dem Wagen stieg, verengten sich seine Augen kaum merklich. Aber seine Schwester nickte anerkennend. Auf dem Weg zum Haus verkündete Sarah, nach ihrer Meinung beweise eine Dame guten Stil, wenn sie in der Wahl ihrer Schmuckstücke bescheidene Zurückhaltung übte.
Deshalb fragte sich Annis, was Sarah von der Gastgeberin hielt, deren Brust unter der Fülle von Diamanten und Rubinen fast verschwand.
Ob die Juwelen echt waren, musste angesichts der finanziellen Schwierigkeiten, die der Familie vor einigen Jahren solchen Kummer bereitet hatten, bezweifelt werden. Doch das interessierte Annis nicht besonders, und so verzichtete sie darauf, den üppigen Schmuck anzustarren. Stattdessen beobachtete sie, wie Lady Fanhope die Gäste empfing.
Da sie den Viscount geradezu überschwenglich begrüßte, konnte man ihr Benehmen fast kriecherisch nennen. Seiner Schwester begegnete sie viel kühler, der armen Louise sogar herablassend, fast verächtlich. Und Annis selbst wurde mit eisiger Höflichkeit zur Kenntnis genommen. Allerdings taute die Baroness etwas auf, als sie erfuhr, der Hausgast der Greythorpes würde am Anfang der nächsten Woche abreisen.
Hätte Annis die unnötige Bemerkung des Viscounts in der Kutsche nicht so ärgerlich gefunden, wäre sie vielleicht an seiner Seite geblieben. Aber so, wie die Dinge lagen, mischte sie sich unter die anderen Gäste, nachdem der Hausherr sie liebenswürdig willkommen geheißen hatte. Zu ihrer Freude entdeckte sie das vertraute rosige Gesicht eines Gentleman, der sich soeben in einem komfortablen Sessel zurücklehnte.
Sichtlich erfreut über ihren Anblick, stand Colonel Hastie, der alte Freund ihres verstorbenen Großvaters, sogar auf, als sie zu ihm ging.
“Seit einigen Wochen leide ich wieder an meinem üblichen Gebrechen, meine Liebe”, seufzte er und sank in den Lehnstuhl zurück, nachdem sie neben ihm Platz genommen hatte. “Wenn ich zu lange stehe, rebellieren die abgenutzten Gelenke. Sonst hätte ich dich schon längst besucht, um herauszufinden, ob es stimmt, was mir zu Ohren kam – ob du tatsächlich bei den Greythorpes wohnst.”
Annis drückte ihr Bedauern über seine Unpässlichkeit aus, und er beteuerte, der Tod ihres Großvaters habe ihn schmerzlich getroffen. Dann befriedigte sie seine Neugier, indem sie in knappen Worten erläuterte, warum sie nach Hampshire gefahren war.
“Darüber habe ich mich schon gewundert”, gestand er leise. “Erst gestern sagte ich zu meiner alten Sophie, dein Aufenthalt in dieser Gegend sei seltsam, weil du hier niemanden kennst außer uns.”
Da er nun seine charmante, leidgeprüfte Gemahlin erwähnte, erkundigte sich Annis nach deren Befinden. Bisher hatte sie sich im eleganten Salon der Fanhopes vergeblich nach Mrs. Hastie umgeschaut.
“Oh, sie sitzt gerade im Spielzimmer bei einer Kartenpartie mit Freundinnen, meine Liebe”, erklärte der Colonel. “Vorhin erfuhr sie, du würdest diese Party besuchen. Sie freut sich so darauf, dich wiederzusehen. Also wird sie sicher bald hierherkommen.”
Obwohl er manchmal etwas schroff und sogar unhöflich wirkte, was mit seinem schlechten Gesundheitszustand zusammenhing, besaß er einen goldenen Humor. Und so zögerte Annis nicht, ihn ein wenig zu necken. “Erstaunlich, dass Sie Ihr Glück nicht ebenfalls am Spieltische suchen, Colonel. Wie Grandpapa mir erzählt hat, begeistern Sie sich nicht nur für Pferde, sondern auch für Spielkarten.”
“Oh, du boshaftes Mädchen – warum musst du mich an mein Laster erinnern?”, tadelte er gutmütig. “Natürlich hast du recht. Aber was das betrifft, verdanke ich der Weisheit des Alters eine gewisse Selbstkontrolle, und ich spiele nur mehr selten. Außerdem hatte ich unter diesem Dach kein Glück – schon gar nicht, wenn ich am Tisch des jungen Fanhope saß. Keine Ahnung, wie er das macht … Jedenfalls gewinnt er fast immer.”
“Tatsächlich?”
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