Hochzeit in Hardingsholm
war. Aber er konnte die Augen nicht vor der Tatsache verschließen, dass es vorbei war. Für immer vorbei. Und das tat sehr weh.
Er ahnte, was in den vergangenen Jahren passiert war. Während er auf der ganzen Welt seinem Glück nachgejagt war, hatten Erik und Linn sich in dem Versuch, sich gegenseitig zu trösten, ineinander verliebt. Er war der Letzte, der den beiden einen Vorwurf machen durfte, trotzdem verspürte er eine tiefe Verbitterung.
Er hatte keine Ahnung, wie er seinem Bruder überhaupt gegenübertreten sollte, geschweige denn, wie er es ertragen sollte, Erik und Linn morgen vor dem Traualtar zu sehen.
Er stellte sich vor, wie Linn Erik das Jawort gab, wie sie ihn anlächelte … und plötzlich hatte er ein anderes Bild vor Augen: Linn und er am Fjord, im Licht des hellen Vollmondes. Die milde Luft, das stetige Rauschen des Wassers, der leise Wind in den Bäumen. Ihr Lächeln weckte wie damals das übermächtige Gefühl in ihm, diese Frau zu lieben. Er erinnerte sich an das unsagbare Glück, das er empfunden hatte, als er sie an sich gezogen und geküsst hatte …
Nein, er würde es kaum ertragen, morgen mit anzusehen, wie Linn und Erik den Bund fürs Leben schlossen.
Aber musste er sich das überhaupt antun? Musste er zusehen, wie die Frau, die er mehr geliebt hatte als alles andere auf der Welt, seinen Bruder heiratete?
Lars wanderte unruhig durch das kleine Zimmer. Und dann keimte in ihm eine Idee. Es war mehr ein Instinkt als ein klarer Gedanke. Der ihn wie damals überkam. Alles in ihm drängte danach, von hier zu verschwinden. Er griff nach seinem Rucksack und verließ fluchtartig das Haus. Außer Linn hatte ihn noch niemand gesehen, und wenn sein Bruder und Linn morgen heirateten, würde er schon wieder an einem ganz anderen Ort der Welt sein. Irgendwo in der Stille, in der Einsamkeit würde er dann die Wunden lecken, die er sich selbst zugefügt hatte.
– 15 -
S ie wollte weg von hier! Weg, in der verzweifelten Hoffnung, dass sie Erik Torberg während ihrer restlichen Zeit in Norrtälje nicht mehr über den Weg lief.
Restliche Zeit! Hellen hätte beinahe laut aufgelacht. Heute war ihr erster Tag, es lagen noch viele Wochen vor ihr. In ihr gärte das dumpfe Gefühl, dass diese Zeit all das durcheinanderbrachte, was sie sich in den vergangenen Jahren aufgebaut hatte. Ihre Ziele, ihre Träume … Nein, nicht nur ihre Ziele und Träume, sondern all das, was sie mit Torsten geplant hatte. Ihr ganzes, gemeinsames Leben. Bisher hatte Hellen das nie in Frage gestellt. Torsten gehörte zu ihr, sie gehörte zu ihm, und alles, was sie sich zusammen aufbauen wollten, entsprach ihren gemeinsamen Wünschen.
Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte Hellen Angst, dass das alles ins Wanken geriet. Durch die Begegnung mit einem Mann, von dem sie so gut wie nichts wusste, den sie nicht wirklich kannte …
»Das ist verrückt«, flüsterte sie vor sich hin. Gleich darauf war da ein anderer Gedanke: Ich hätte nie hierherkommen dürfen!
Sie hatte Lara gerne ihre Hilfe angeboten, aber da hatte sie von diesem ganzen Durcheinander ja auch nichts ahnen können. Und nun konnte sie kaum einen Rückzieher machen. Wie sollte sie das begründen? Wie sollte sie Lara etwas erklären, was ihr selbst völlig unverständlich war?
Hellen versuchte sich selbst zu beruhigen. Das alles war so irrational, dass es schon alleine vorbeigehen würde, wenn sie sich nur nicht so sehr damit beschäftigte. Sie durfte diesen verrückten Gedanken nicht so viel Raum geben, musste sich neben ihrer Arbeit für Lara wieder mehr mit ihren eigenen Zukunftsplänen beschäftigen. Mit Torsten, den sie doch schließlich liebte.
An diesem Punkt ihrer Gedanken horchte sie erneut in sich hinein. Liebte sie Torsten wirklich?
Ja, stellte sie für sich fest. Er war immer noch der Mann, mit dem sie ihr Leben teilen wollte.
In letzter Zeit hatten sie und Torsten sich zwar nicht sehr oft gesehen, und sie würden durch ihren Beruf auch in Zukunft oft getrennt sein, aber die grundlegende Ebene zwischen ihnen stimmte, daran zweifelte Hellen nicht. Wenn sie erst wieder in Stockholm war, würde es auch wieder mehr Gelegenheiten für gemeinsame Aktionen geben. Bis dahin durfte sie sich einfach nicht mehr aus der Fassung bringen lassen. Jedenfalls nicht durch etwas so Unbedeutendes wie die Begegnung mit einem Fremden.
Eigentlich war es ja auch ausgestanden. Das Hochzeitskleid war ausgeliefert, und es gab keinen Grund, Hardingsholm ein weiteres Mal
Weitere Kostenlose Bücher