Hochzeit in St. George (German Edition)
Bischof?« erkundigte sich seine Schwester überrascht.
»Cousin Max kennt ganz London«, entgegnete ihr Bruder. »Doch ich will ihn nicht besuchen, wenn es nicht unbedingt sein muß. George hat ihn im Kampf um Großmutters Erbe ausgestochen. Sicher ist er wütend auf ihn. Und seine Wut wird sich auf alle Wïllowbys erstrekken. Ich habe nicht die geringste Lust, mir eine seiner arroganten Abfuhren zu holen.«
Catharine hatte ihm nur mit halbem Ohr zugehört. Sie dachte an ihren Bruder. Henry kannte den Bischof, da war sie sich sicher. Henry war ein Herzog, sein Einfluß war nicht zu unterschätzen. Sie würde ihren Bruder aufsuchen, entschied sie mit einem unangenehmen Gefühl in der Magengegend. Je früher, desto besser. Wenn sie in London blieb, dann war es unvermeidlich, daß sie sich wiedersahen. Und das erste Treffen sollte besser unter vier Augen stattfinden als auf gesellschaftlichem Parkett.
»Ich denke, ich kann eine Lizenz besorgen«, sagte sie schließlich. Es war typisch für die Geschwister Willowby, daß sie sich keine Gedanken darüber machten, wie Catharine, die eben erst aus Frankreich gekommen war und in London kaum jemanden kannte, zueiner Speziallizenz kommen sollte. Für sie war allein wichtig, daß ein unangenehmes Problem ohne Aufwand gelöst worden war.
»Fein!« sagte ihr zukünftiger Ehemann. »Dann laßt uns jetzt zu Kermin in die Küche gehen.«
VII.
Als Catharine am nächsten Morgen erwachte, kündigten die ersten freundlichen Sonnenstrahlen, die durch einen Spalt im Vorhang ins Schlafzimmer fielen, einen warmen Frühlingstag an. Sie setzte sich in ihrem breiten Himmelbett auf und ließ die Beine über dem Boden baumeln. Ob wohl jemand heißes Wasser bringen würde, wenn sie an der Klingelschnur zog? Das Mädchen Rosie vielleicht, das ihnen gestern abend den Tee serviert hatte, nachdem sie gemeinsam mit Hetty und ihrem Bruder in die Küchenregion eingedrungen war?
Sie beschloß, ihr Glück zu versuchen, und zog an dem Strang. Dann blickte sie sich um. Das Zimmer, in dem einst Hettys Mutter gewohnt hatte, war wirklich hübsch. Wenn auch hier, wie in jedem Raum, einige Möbelstücke abhanden gekommen sein mußten. Die Bettvorhänge und die Vorhänge vor den beiden schmalen, hohen Fenstern zeigten grüne Streifen, an denen sich zartrosafarbene Rosen emporrankten. Die Stoffe waren im Laufe der Jahre ausgebleicht, aber dennoch recht hübsch anzusehen. Neben dem Bett befand sich ein kleines Nachtkästchen. Auf einer Kommode stand eine hübsche, aber angeschlagene Waschschüssel. Ihre schweren Schrankkoffer standen unausgepackt vor einem überdimensionalen Kleiderschrank.
Catharine erhob sich und schlüpfte in ihre Pantoffeln. Zuerst würde sie ihre Kleider in den Schrank hängen. Sicher waren sie völlig verknittert. Hoffentlich konnte Rosie mit dem Bügeleisen umgehen. Sie öffnete die breiten Türen des Schrankes und trat erschrocken einige Schritte zurück. Eine dichte Staubwolke wehte ihr entgegen. Zwei aufgescheuchte Motten suchten flatternd das Weite. Das Möbelstück war nicht leer, wie sie angenommen hatte, sondern prall gefüllt mit Kleidern und Roben. Erstaunt nahm sie das erstbeste Kleidungsstück heraus. Es war ein eisblaues Abendkleid mit einer breiten Schärpe, das Oberteil dicht mit Pailletten und Perlen bestickt.
»Die Kleider haben Mylady gehört. Der Mutter von Master Richard«, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie fuhr herum und sah Kermin im Türrahmen stehen, einen Krug dampfend heißes Wasser in der Rechten, zwei Handtücher in der Linken.
»Ist Rosie nicht da?« erkundigte sich Catharine, der es seltsam erschien, daß ein männlicher Dienstbote in ihr Schlafzimmer kam. Mit einer raschen Bewegung schlüpfte sie in ihren Morgenmantel, den sie am Vorabend achtlos über den einzigen Stuhl des Raumes geworfen hatte.
Kermin schien ihren Aufzug gar nicht zu bemerken. »Ich habe Rosie mit einigen Besorgungen beauftragt«, erklärte er. »Sie wird bald zurück sein. Ich werde sie dann sofort zu Ihnen schicken.« Er stellte den Krug auf die Kommode und legte die Handtücher fein säuberlich daneben. »Wenn es Ihnen recht ist, werde ich das Frühstück richten.«
»O ja, vielen Dank«, antwortete Catharine. »Das ist mir sehr recht, denn ich habe großen Hunger. Ist… ist mein Verlobter bereits aufgestanden?«
»Master Richard hat das Haus gegen zehn Uhr verlassen.«
»Gegen zehn Uhr!« rief Catharine aus. Sie warf einen Blick auf die kleine Standuhr auf dem Kaminsims.
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