Hochzeit in St. George (German Edition)
Kind auf den Arm und verließ das Zimmer. Ein seltsames Verhalten für einen Butler, dachte Catharine. Normalerweise waren diese Diener viel zu erhaben, um sich mit einem Kleinkind abzugeben.
»Merpenth ist ganz vernarrt in Max«, erklärte Sophia, die die erstaunten Blicke ihrer Besucherinnen wahrgenommen hatte. »Aber jetzt nehmt doch bitte Platz. Darf ich euch etwas anbieten? Limonade vielleicht, oder wäre euch eine schöne Tasse Tee lieber?« Die Besucherinnen entschieden sich für Tee, und Sophia betätigte abermals den Glockenstrang, um den Butler das Gewünschte mitzuteilen. Dann nahm sie ebenfalls Platz und sah Catharine erwartungsvoll an. »Wie lange wirst du in London bleiben?« nahm sie den Faden wieder auf.
»Ich bin nicht nur zu Besuch hier. Ich bin nach England zurückgekehrt«, erklärte Catharine.
Sophia klatschte in die Hände. »Das ist wirklich eine gute Nachricht. Dein Bruder wird sich freuen. Er war ganz traurig, als du nach Frankreich gingst, hatte ich den Eindruck. Bist du zu ihm gezogen? Ich stelle mir das Leben in der ständigen Gegenwart deiner Schwägerin nicht sehr angenehm vor. Entschuldige bitte meine Offenheit, aber ich habe Esther nie leiden können.«
»Catharine hat einen Bruder in der Stadt?« rief Hetty überrascht aus.
»Davon hat sie mir kein Wort erzählt.«
»Aber natürlich hat sie einen Bruder«, wandte Sophia verwundert ein. »Das ist doch…«
Catharine fiel ihr ins Wort: »…nicht von Bedeutung.« Sophias Verwunderung wuchs. Doch sie sagte kein Wort mehr. Was war wohl der Grund, daß ihre Freundin Hetty nichts von ihrer Familie erzählen wollte?
»Wir sind hier, um dich zu meiner Hochzeit einzuladen«, fuhr Catharine nun fort.
»Hochzeit?« wiederholte Mylady und kam aus dem Staunen nicht heraus. »Dann ist dein Mann also tot?«
Catharine nickte: »Seit einem Jahr. Heute ist der letzte Tag des Trauerjahres, und dann darf ich die schwarze Kleidung endlich ablegen.«
Sophia hätte gerne gefragt, ob sie den Franzosen geliebt hatte, als sie ihn heiratete, und wie sie ihn überhaupt kennengelernt hatte. Denn damals hatte sie Roger de la Falaise nie in Begleitung seines Onkels gesehen. Doch irgendwie schien Catharine nicht gewillt, in Begleitung von Hetty Willowby aus ihrem Leben zu erzählen. Sophia beschloß, sich zu gedulden. Sicher würde sich bald eine Möglichkeit ergeben, mit ihrer Freundin ungestört zu plaudern. »Wann soll die Hochzeit stattfinden?« fragte sie statt dessen.
»Morgen«, erklärte Catharine. »Wir haben uns überraschend kurzfristig entschieden«, fügte sie hinzu, als sie Sophias entgeisterten Blick auffing.
»Sie kennt Richard erst seit gestern«, setzte Hetty hinzu, in der Hoffnung, ihre Gastgeberin damit zufriedenzustellen.
Natürlich war das Gegenteil der Fall. »Richarde« fragte sie; »Seit gestern?«
Der Butler kam und unterbrach das Gespräch, indem er das Teeservice auftrug. Lady Christlemaine übernahm es selbst, die Tassen einzuschenken und an ihre Gäste weiterzureichen.
»Ich meine Richard, meinen Bruder«, erklärte Hetty. »Du kennst doch Richard?«
Sophias Miene zeigte wenig Begeisterung. »Sicher«, sagte sie schließlich.
»Und du magst ihn nicht«, folgerte Catharine.
»Das kann man nicht sagen«, wandte Sophia ehrlich ein. »Ich kenne ihn nicht sehr gut, aber…«, sie stockte, als sie sich erinnerte, wen sie vor sich hatte.
»Aber?« fragte Catharine nach.
»Ich halte ihn für einen leichtfertigen, nicht sonderlich pflichtbewußten Mann, und ein Spieler ist er obendrein.«
Catharine erwog diese Beschreibung. »Da dürftest du nicht unrecht haben«, erklärte sie schließlich leidenschaftslos. »Ich habe mir so etwas Ahnliches bereits selbst gedacht.«
»Aber George ist doch mindestens ebenso leichtfertig«, wandte Hetty ein, »und dennoch warst du mit ihm verlobt.«
Sophia errötete. »Wir waren nicht richtig verlobt«, erklärte sie. »Dein lieber Bruder hat mich lediglich als seine Verlobte ausgegeben, um eure Großmutter dazu zu bewegen, ihm ihr ganzes Vermögen zu vermachen. Er dachte, wenn er ihr eingesteht, daß er bereits ohne ihre Einwilligung geheiratet hatte, noch dazu eine Angehörige des niederen Adels, dann würde seine Großmutter ihr Erbe an Max übergehen lassen. Natürlich wurde der Schwindel entlarvt. Zum Glück hat eure Großmutter George dennoch zu ihrem Erben gemacht.«
»Zum Glück?« wiederholte Hetty skeptisch. »Wie kannst du von Glück sprechen? Du bist doch mit Max verheiratet.
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