Hochzeit in St. George (German Edition)
»Brian, der Stallbursche, ist unten, Madam«, verkündete sie, »er läßt anfragen, um wieviel Uhr Sie den Wagen benötigen.«
Catharine fuhr herum. »Wie spät ist es denn? Oh, schon drei Uhr vorbei. Ich muß mich beeilen. Sage Brian, er möge in einer Viertelstunde vorfahren. Ach, und Rosie…«, rief sie dem Mädchen nach, das davoneilen wollte, um den Auftrag auszuführen. »Kennst du jemanden, der gut frisieren kann? Meine Haare brauchen dringend einen neuen Schnitt, und sie sollten lockerer aufgesteckt werden. Jetzt, da ichmeinen schwarzen Schleier ablegen kann, will ich meine Frisur wieder zur Geltung bringen.«
Rosies Wangen erröteten leicht. »Ich bin recht geschickt, wenn ich das sagen darf, Madam. Ich habe immer Mrs. Gillmen, die Dame, bei der ich in Diensten war, bevor ich hierher kam, frisiert, und ihre Tochter auch…«
»Aber Mädchen«, fuhr Mrs. Blenchem dazwischen, »deine Künste in Ehren. Aber für Mylady…«
»…genau das Richtige«, vollendete Catharine den Satz. »Wenn du dir zutraust, das zu schaffen, dann wollen wir es heute abend versuchen. Aber nun laufe und sage dem Burschen Bescheid.«
»Ich glaube nicht, daß das das Richtige ist«, sagte Mrs. Blenchem skeptisch, als Rosie den Raum verlassen hatte. »Wer weiß, was das Kind anrichtet…«
Catharine war nicht bereit, ihre Entscheidung rückgängig zu machen. »Wo wollen Sie in der Eile einen Friseur hernehmen? Und überhaupt, ich möchte es versuchen…«
Sie wurde unterbrochen, als es klopfte und Hetty ihren blonden Kopf zur Tür hereinsteckte : »Du fährst aus?« fragte sie. »Nimmst du mich mit? Ich langweile mich fürchterlich. Ich bin froh, wenn diese dumme Hochzeit endlich vorüber ist. Dann können wir abends ausgehen, Bälle besuchen…«
»Dazu müssen wir erst einmal eingeladen werden«, bemerkte Catharine trocken, während sie wieder in ihr schwarzes Kleid schlüpfte.
»Aber natürlich werden wir eingeladen. Wir sind ja schließlich Willowbys. Mein Vater ist ein Viscount. Natürlich muß auch ich einen Ball veranstalten. Das weißt du sicherlich, Catharine. Bitte versprich mir, daß wir bald einen Ball geben werden.«
Catharine überdachte die hohen Kosten, die mit so einem Ereignis verbunden waren. Sie dachte an die spärlich möblierten Räume und die kaum vorhandene Dienerschaft. Es war Wahnsinn, auch nur daran zu denken, hier einen Ball veranstalten zu wollen. Aber es war auch typisch Hetty, Unmögliches zu fordern. »Wir werden sehen, was dein Bruder dazu sagt«, antwortete sie. Sollte doch ihr zukünftiger Gatte sehen, wie er Hetty diesen absurden Wunsch ausreden konnte. »Um auf deine Frage zurückzukommen: Ich fahre zu Lady Christlemaine.«
»Zu Sophia! Das ist eine gute Idee. Kennst du sie denn? Ich habe sie schon als Kind gekannt. Der Grundbesitz der Matthews grenzt direkt an Wild Rose Manor. Als sie Max heiratete, war ich gerade mit Onkel Jonathan und Tante Mable bei euch in Frankreich. Ich habe Sophia daher seit Jahren nicht mehr gesehen. Welch eine gute Idee, sie zu besuchen. Du hast doch sicher nichts dagegen, wenn ich mitkomme?«
Catharine hatte sehr wohl etwas dagegen. Zuerst einmal war sie sich nicht sicher, ob ihre Freundin zu Hause war. Und dann war sie sichnicht sicher, ob Sophia sie überhaupt empfing. Schließlich war sie nun die Frau eines der reichsten und tonangebendsten Earls des Landes. Obwohl sich Catharine nicht ernstlich Sorgen darüber machte, daß ihre Freundin sie nicht empfangen würde. Sie war immer ein kluges, freundliches Mädchen gewesen. Während ihrer gemeinsamen Schulzeit waren sie ein Herz und eine Seele gewesen. Aber wenn es stimmte, was Richard angedeutet hatte, waren die Christlemaines wegen dieser Erbangelegenheit nicht gut auf die Willowbys zu sprechen. Catharine wußte, mit welcher Verbissenheit der Kampf um ein Erbe geführt werden konnte. Vielleicht wollte Sophia Hetty nicht vorlassen? Und überhaupt: Sie hätte viel lieber alleine mit der Freundin gesprochen, die sie nach so vielen Jahren das erste Mal traf. Aber hatte es einen Sinn, Hetty die Bitte abzuschlagen? Sie würde doch nicht lockerlassen, bis sie ihren Willen durchsetzte. Vermutlich hatte Tante Mable deshalb immer zu Herzflattern Zuflucht gesucht, wenn sie ihrer Nichte einen Wunsch abschlagen wollte. Herzflattern schien eines der wenigen Argumente zu sein, gegen die Hetty machtlos war.
Nun, Catharine erfreute sich bester Gesundheit und sie hatte auch nicht vor, irgendein Leiden zu erfinden, nur um
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