Hochzeit in St. George (German Edition)
»Was soll das heißen, Hetty?« fragte sie. »Unterstellst du mir vielleicht, ich hätte ein Tendre für den besten Freund deines Bruders?«
»Hast du denn keines?« entgegnete Hetty aufgebracht. »Ständig sieht man euch zusammen. Er hat nur Augen für dich …«
»Du undankbares kleines Ding!« rief Catharine aus. »Wage nicht noch einmal, deine bösartigen Unterstellungen auch nur andeutungsweise auszusprechen! Jetzt hast du den Bogen überspannt. Ich habe deine Launen wochenlang stillschweigend ertragen. Aber was zuviel ist, ist zuviel. Geh auf dein Zimmer! Ich spreche erst wieder mit dir, wenn du dich entschuldigt hast.«
Hetty dachte nicht daran, diesem Befehl Folge zu leisten.
»Richard!« wandte sich Catharine hilfesuchend an ihren Gatten. »So sag doch du etwas!«
Doch dieser warf ihr nur einen prüfenden Blick zu und schwieg.
»Richard!« Nun war Catharine endgültig fassungslos. »Du wirst doch den Unsinn nicht glauben, den Hetty von sich gibt.«
»Warum hast du dich dann von Hugh zum Souper führen lassen? Und Ausfahrten in den Park unternommen, von denen ich nichts wußte.«
»Aber Hugh ist dein Freund«, verteidigte sich Catharine.
»Das ist es ja gerade. Von mir wolltest du dich nicht umarmen lassen. Vielleicht küßt du ihn?«
»Du bist ungerecht!« rief Catharine aus. »Abscheulich und gemein. Habe ich vielleicht ein Wort darüber verloren, daß du Constance Ridley zu Tisch führtest? Ausgerechnet Constance Ridley. Du hast mich zum Gespött der Leute gemacht.«
»Wie könnte ich dich je zum Gespött der Leute machen!« rief Richard aus, getroffen von ihrem berechtigten Vorwurf. »Wer bist du denn schon, daß du zum Gespött der Leute werden könntest? Eine Frau, die keiner kannte, bevor ich sie heiratete. Die nur durch meine Hilfe und die meiner Verwandten überhaupt in die Gesellschaft aufgenommen wurde.«
»Ach, so ist das«, sagte Catharine kalt. Sie nahm auf ihrem Stuhl zur Rechten ihres Mannes Platz und begann die an sie gerichteten Briefe zu öffnen. Nur das Zittern ihrer Finger verriet die Erregung, in der sie sich befand. Ihre scheinbare Gelassenheit brachte Richard nun vollends in Wut. »Wer bist du denn schon, daß du mir Vorwürfe machen kannst? Eine Frau, die sich nicht zu gut war, einen Franzosen zu heiraten, als wir mit den verdammten Franzmännern im Krieg lagen. Das bist du!«
Nun war es sogar Hetty zuviel. »Richard!« rief sie erschrocken aus. Doch ihr Bruder hörte sie nicht »Mein Vater droht, mich deshalb zu enterben. Du bist schuld, wenn alles in den Besitz meines Bruders George fällt. Oh, ich könnte meinen Vater umbringen dafür, daß er mir Vorwürfe deswegen macht. Und mich, weil ich dich geheiratet habe.«
Catharine ließ das Blatt Papier, das sie eben gelesen hatte, sinken. »Mein Anwalt schreibt, daß ich den Prozeß gewonnen habe. Das Vermögen meines verstorbenen Mannes steht mir zur Verfügung. Kein Grund, diese Farce von einer Ehe aufrechtzuerhalten. Du kannst die Scheidung einleiten.«
»Aber gerne!« rief Richard aus. »Nichts lieber als das. Sobald ich von Wild Rose Manor zurück bin, werde ich Bristley, meinen Anwalt, aufsuchen. Nun entschuldige mich, ich habe zu packen.« Er knallte seine Serviette auf den Tisch und verließ mit großen Schritten den Raum.
»Scheiden lassen!« murmelte Hetty ungläubig. »Ihr könnt euch doch jetzt nicht scheiden lassen! Mitten in der Saison. Wer soll mich denn dann zu den Veranstaltungen begleiten, wenn du nicht mehr da bist?«
»Das hättest du dir früher überlegen müssen, meine Gute«, antwortete Catharine ungerührt. »Und nun ist es Zeit, dich umzuziehen. Wir haben Sophia versprochen, sie nach dem Lunch aufzusuchen, um gemeinsam die Nachmittagsbesucher zu empfangen, die sicher vorsprechen werden, um sich für den Ball zu bedanken. Also beeile dich und bemühe dich um ein freundliches Gesicht.«
XII.
Der Besucherstrom schien nicht abzureißen. Lady Christlemaine hieß alle herzlich willkommen, nahm die zahllosen Blumensträuße mit Ausrufen des Entzückens entgegen, servierte Sherry und Limonade, rückte die bereitgestellten kleinen Kuchen zurecht und führte unaufhörlich Konversation. Ständig bemüht, keinen der Gäste zu vernachlässigen. Hetty saß in der hinteren Ecke des Empfangszimmers und schmollte. Catharine bemühte sich redlich, die Hausherrin bei ihren Aufgaben zu unterstützen. Doch mit ihren Gedanken war sie nicht bei der Sache. Warum hatte sie bloß von Scheidung gesprochene? Sie wollte
Weitere Kostenlose Bücher