Hochzeit in St. George (German Edition)
Gefühlsleben aus den Fugen geraten war, waren Hettys Launen noch viel schwerer zu ertragen als sonst.
Und Hettys Launen waren in diesen Tagen besonders starken Schwankungen unterzogen. Einmal war sie fröhlich, und es gelang ihr, Catharine aus ihren Träumen zu reißen und in gut gelaunte Gespräche zu verwickeln. Dann wieder war sie wegen jeder Kleinigkeit beleidigt, saß schmollend in einer Ecke oder schrie Rosie an, bis diese mit Tränen in den Augen in die Küche verschwand.
Von Catharine daraufhin zur Rede gestellt, gab sie freche Antworten oder erklärte, sie sei im Haus die einzige wahre Willowby. Daher sei es ihr gutes Recht, den Dienstboten Befehle zu erteilen.
Catharine mußte sich sehr zusammennehmen, um ihr für diese Bemerkung keine Ohrfeige zu verabreichen. Strafte sie ihre Schwägerin jedoch mit kühler Nichtachtung, so rächte sich Hetty dadurch, daß sie auf Bällen ungeniert mit völlig unpassenden jungen Männern flirtete und die Unschicklichkeit besaß, mit einem Verehrer zwei Tänze hintereinander zu tanzen. Lord Bridgegate hatte.seine Galanterien längst anderen Damen zugewandt. Es war ihm gelungen, die Gerüchte, er wolle sich mit Hetty Willowby verloben, im Keim zu ersticken. Catharine vermutete, daß das Verhalten des Beau Hettysschlechte Laune verursacht hatte. Und sie wußte keinen Rat, wie sie ihrer Schwägerin helfen konnte.
Richard, mit dem sie die Angelegenheit hätte besprechen können, war nicht da. Leider war auch Hugh für einige Tage zu seiner Tante nach Rochester gefahren.
»Tante Abigail will mich bereits seit Jahren verkuppeln«, hatte er Catharine und Hetty vor seiner Abreise augenzwinkernd erzählt. »Bis jetzt habe ich mich erfolgreich zur Wehr gesetzt. Obwohl sie recht hat, und ich tatsächlich heiraten sollte. Nun hat sie die Cousine ihres verstorbenen Gatten eingeladen, die wiederum ihre Nichte mitbringt. Tante Abigail schrieb, sie möchte mich den Verwandten vorstellen. Sicher geht es ihr nicht darum, daß ich die Cousine kennenlerne. Vielmehr wird die Nichte ein hübsches junges Mädchen sein und genau aus dem Holz geschnitzt, aus dem sich Tante Abby meine Zukünftige vorstellt. Ich werde drei oder vier Tage von London fort sein. Es sei denn, ich verliebe mich in die Nichte. Dann dauert es länger.«
Nun war er bereits vier Tage fort, und Catharine sehnte seine Rückkehr herbei. Er war der einzige, dem es gelang, Hetty zu beruhigen, wenn sie sich schlecht benahm und eher einem Schulmädchen glich als einer Dame der Gesellschaft.
Gerade als Catharine dachte, sie würde keinen Tag länger in Hettys Gesellschaft aushalten, kam ein Bote und überreichte eine blütenweiße Einladungskarte. Lady Willborough organisierte für ihre Tochter ein Picknick im Grünen, und Hetty war herzlich dazu eingeladen. Da das Wetter gerade so vielversprechend war, schlug Mylady vor, am nächsten Morgen aufzubrechen. Für Fahrgelegenheiten, Speis und Trank sei gesorgt. Man würde auf ihrem Landsitz nahe der Stadt übernachten und am nächsten Mittag zurückkehren. Catharine überredete ihre mißmutige Schwägerin, an dem Landausflug teilzunehmen, den diese als kindisch und völlig unter ihrer Würde eingestuft hatte.
Als am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, der von Lady Willborough geschickte Wagen vorfuhr und die Tür hinter Hetty ins Schloß fiel, sank Catharine aufatmend in ihren Stuhl zurück. Endlich Ruhe. Endlich Zeit, sich mit sich und ihren Plänen für die Zukunft zu befassen. Dank Richards Cousin Max, dem Earl of Christlemaine, kümmerte sich eines der besten Bankhäuser der Stadt darum, das Barvermögen ihres verstorbenen ersten Mannes nach London zutransferieren. Trotzdem würde es unabdingbar sein, daß sie in naher Zukunft selbst nach La Falaise reiste. Zahlreiche Wertgegenstände waren abzuholen, die Reitpferde und Kutschen, die ihr zugefallen waren, mußten verkauft werden. Den Witwensitz mit seinen Wiesen und Wäldern würde sie Jeanette de la Falaise überschreiben. Diese hatte ihr aus Italien geschrieben. Der Aufenthalt bei ihrer Schwester schien sich doch nicht so erfreulich zu gestalten, wie sie gehofft hatte. Obwohl sich Jeanette nicht direkt beklagte, war doch zwischen den Zeilen zu lesen, daß sie unglücklich war. Vermutlich war sie als mittellose Verwandte im Haus ihres Schwagers eher geduldet als erwünscht. Nun, sie, Catharine, würde dafür sorgen, daß ihre Freundin keine mittellose Verwandte mehr war. Sie dachte an die Abende auf La Falaise zurück,
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