Hochzeit in St. George (German Edition)
erfreut.
Mrs. Blenchem winkte ab. »Nein danke, liebe Miss Willowby, sehr freundlich von Ihnen. Ich habe Tropfen in meinem Zimmer, die wahre Wunder wirken. Ich bin gleich wieder zurück. Entschuldigen Sie mich bitte.« Mit diesen Worten verließ sie den Privatsalon, nicht ohne die Tür einen Spalt geöffnet zu lassen. So schlecht konnte es ihr gar nicht gehen, daß sie nicht auf Anstand und Sitte achtete.
Hetty, die mit dem Rücken zur Tür saß, bemerkte nicht, daß diese offenstand. Und sie achtete auch nicht auf die raschen Schritte, die sich dem Privatsalon näherten. Sie dachte nur an den Beau, die Lippen, die günstige Gelegenheit, die sich nie wieder bieten würde, und sagte ohne weitere Umschweife: »Würden Sie mich bitte küssen, Mylord?«
Es blieb dem Beau, der zum ersten Mal in seinem Leben über die Worte einer Frau völlig entgeistert war, erspart, eine Antwort zu finden. Denn in diesem Moment rief eine wohlbekannte Stimme von der Tür her in vorwurfsvollem Ton: »Hetty Willowby! Wie kannst du nur einen Gentleman so etwas fragen?«
Die so Angesprochene fuhr herum. »Hugh!« rief sie erfreut. »Bist du es wirklich? Das ist aber eine freudige Überraschung.« Sie schien ihre Worte ernst zu meinen, was Hugh zugleich erstaunte, aber auch erfreute. »Das ist keine Antwort auf meine Frage«, sagte er streng.
Hetty war aufgesprungen und hatte seine Hand ergriffen. »So sei doch nicht ungehalten«, bat sie mit einschmeichelnder Stimme. »Ich bin bloß noch nie geküßt worden. Nicht richtig zumindest. Und da dachte ich, die Gelegenheit sei günstig, um Lord Bridgegate zu fragen.«
»Aber so etwas schickt sich nicht«, erklärte Hugh, überrascht von so viel Ehrlichkeit. »Und überdies: warum gerade Bridge?«
»Es war doch kein anderer da«, erklärte Hetty. »Und immerhin hat er außerordentlich hübsche Lippen. Du hast allerdings auch…«
»Hetty!« rief Hugh zwischen Empörung und Amüsement hin- und hergerissen. »Du wirst doch jetzt nicht mich fragen wollen, ob ich dich küssen will?«
»Willst du denn nicht?« erkundigte sich Hetty mit sichtlicher Enttäuschung.
»Natürlich will ich«, beeilte er sich, ihr zu versichern, »allerdings nur dann, wenn du mich heiraten willst.«
Hetty ließ seinen Arm los und schaute mit großen Augen zu ihm auf: »Heiraten?« wiederholte sie.
»Ja, Hetty Willowby, willst du mir die Ehre erweisen, meine Frau zu werden?« sagte Seine Lordschaft mit feierlichem Tonfall.
»Natürlich will ich!« rief Hetty und fiel Hugh um den Hals. »Ach, Hugh, ich bin ja so…« Weiter kam sie nicht, denn ein Kuß Seiner Lordschaft verhinderte bis auf weiteres jedes Wort.
Ein langsames, deutliches Applaudieren ließ die beiden zusammenzucken, »Bravo! Bravo!« näselte der Beau von seinem Platz am Kopfende des Tisches her. »Welch ergreifendes Schauspiel. Wer hätte gedacht, was man in einem Privatsalon einer einfachen Poststation so alles geboten bekommt.«
Hugh machte sich von Hetty los. »Du sei ganz ruhig!« befahl er dem Beau, »wie kommst du dazu, ein junges Mädchen für deine skrupellosen Winkelzüge zu mißbrauchen? Sie zu kompromittieren, nur um ihrem Vater eins auszuwischen, sie aus Haß auf den Viscount…«
»So, da bin ich wieder«, meldete sich Mrs. Blenchem, noch etwas blaß, aber doch deutlich erholt, von der Tür her. »Ah, Lord Deverell, welche Überraschung. Reisen Sie auch nach Wild Rose Manor?« Hugh starrte sie entgeistert an. »Wer sind denn Sie?« wollte er wissen.
»Das ist Mrs. Blenchem«, erklärte Hetty.
»Richards Haushälterin. Sie begleitet uns als Anstandsperson«, erklärte der Beau.
Hugh wandte sich reumütig an seinen Freund: »Tut mir leid, was ich gesagt habe, Bridge. Es waren also keine unlauteren Motive, die dich Hetty nach Winchester bringen ließen. Ich hoffe, du verzeihst, daß ich dich skrupellos genannt habe und dir zutraute, Hetty zu kompromittieren…«
»Du kannst dir deine Entschuldigung ersparen«, unterbrach ihn der Beau ungerührt. »Mein Freund, du kennst mich viel besser, als mir lieb sein kann.«
XVII.
Es war am Tag darauf, am frühen Nachmittag, als im vornehmen Palais des Herzogs von Milwoke ein Besucher gemeldet wurde. Ihre Gnaden, die Herzogin, befand sich alleine im Empfangszimmer. Sie saß an ihrem zierlichen Sekretär, eben dabei, mit ihrer großen, steilen Schrift einen Brief an ihre Eltern zu schreiben, die zur Kur in Bath weilten. Ihr neuer Butler trat ein und reichte ihr das Silbertablett, auf dem die
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