Hochzeit in St. George (German Edition)
Jahren, die Reise nach Wild Rose Manor antrat Auf dem Dach stapelte sich das Gespäck. Ein kleiner drahtiger Kutscher in goldbetreßter Uniform lenkte das Vierergespann. Mrs. Blenchem war im siebten Himmel. Nein, so eine schöne Kutsche, so vornehm und geschmackvoll ausgekleidet! Und dann noch dieser gutaussehende Herr. Diese Ausstrahlung! Man merkte sofort, daß es sich bei ihm um ein Mitglied des Hochadels handelte. Natürlich sagte sie das alles nicht laut.
Denn ihr Gastgeber, der mit arrogantem Blick gelangweilt durch das makellos geputzte Kutschenfenster die Häuser der Stadt an sich vorüberziehen ließ, schien keine Konversation zu wünschen. Nicht, daß er sie nicht höflich behandelt hätte. Nein, im Gegenteil. Aber schließlich war sie nur ein Dienstbote, Miss Hetty hatte ihr das nicht zu Unrecht vorgeworfen. Und deshalb saß sie auch gegen die Fahrtrichtung auf einer schmäleren Bank. Aber das machte ihr nichts aus. Besser als in der Postkutsche war es allemal.
Hetty saß neben dem Beau und blickte ebenfalls aus dem Kutschenfenster. In ihrem himmelblauen Reisekleid aus feinem Musselin sah sie bildhübsch aus, und sie war sehr zufrieden mit ihrem Anblick, der sich im Kutschenfenster spiegelte. Weniger zufrieden war sie mit dem Verhalten ihres Reisegefährten. Wie konnte er nur so ungehobelt sein, in Gegenwart einer Dame mit halbgeschlossenen Augenlidern vor sich hin zu dösen? Es wäre doch seine Pflicht gewesen, sich mit ihr zu unterhalten und ihr die Reise so angenehm wie möglich zu machen. Wenn er sich schon nicht so um sie kümmerte, als betrachte er sie als aufregende, begehrenswerte junge Dame, deren Herz er zu gewinnen suchte. Hetty seufzte insgeheim. Sie hatte schon länger den Verdacht gehabt, daß Seine Lordschaft ihr nicht wirklich den Hof machte. Die zahlreichen Blumenbuketts, die romantischen Karten, die er ihr zu Beginn der Saison hatte zukommen lassen, waren wohl nur eine Laune gewesen. In Wahrheit kümmerte sich SeineLordschaft nur um sich selbst und seine eigenen Vorlieben. Was ihn wohl dazu veranlaßt hatte, ihr anzubieten, sie nach Winchester zu begleiten? Verliebtheit konnte es nicht gewesen sein. Ganz in Gedanken, das Gesicht an die Scheibe der Kutsche gedrückt, sah Hetty den Mann hoch zu Roß nicht, der mit regungslosem Blick auf die Kutsche starrte, so als könne er seinen Augen nicht trauen.
Lord Hugh Deverell war eben von seiner Reise aufs Land zurück in die Hauptstadt gekommen. Die Tage bei seiner Tante waren amüsant und abwechslungsreich gewesen, so daß es ihm schwergefallen wäre, Rochester wieder zu verlassen, wenn da nicht eine unbestimmte Sehnsucht gewesen wäre, die ihn wieder in die Hauptstadt zurücktrieb. Die Tatsache, daß es ihm auf dem Landsitz seiner Tante so gut gefallen hatte, hatte weniger mit jenem Mädchen zu tun, das ihm als passende Braut präsentiert worden war. Heather Stainsford war eine großgewachsene, dunkelhaarige Schönheit. Sie war äußerst wohlerzogen, sprach nur, wenn das Wort an sie gerichtet wurde, dann jedoch mit klarer, kultivierter Stimme. Sie wußte wenig über Politik oder Geschichte, dafür konnte sie kunstreiche Stickarbeiten ausführen, oder sie nützte die Nachmittage, um mit ihrem Zeichenblock im Schatten eines Baumes zu sitzen und die Landschaft in zarten Bildern festzuhalten. Am Abend spielte sie den Gästen oft ein Musikstück auf der Harfe vor. Manchmal begleitete Hugh sie auf dem Klavier. Dann bekamen die Tanten ganz feuchte Augen und bestätigten sich gegenseitig, was für ein schönes Paar die beiden doch wären.
Hugh konnte diese Ansicht nicht teilen. Natürlich war Miss Stainsford eine vollkommene Lady. Und doch begann er sich nach fünf Minuten in ihrer Gesellschaft nach einer Gesprächspartnerin zu sehnen, die ihm nicht in allem und jedem recht gab, die weniger gedrechselte Sätze sprach und die ihn nicht so entsetzlich langweilte. Er hatte Harfenklänge noch nie leiden können. Und da er selbst ernst, still und vernünftig war, wünschte er sich eine lebhaftere Frau an seiner Seite, fröhlich und voller Überraschungen. Es gab keinen Zweifel, daß Miss Stainsford eine gutaussehende junge Dame war, aber Hugh war, als würde diese Makellosigkeit verblassen gegen ein kleingewachsenes Geschöpf mit blonden Locken und strahlend blauen Augen. Kurz, er begann sich ernsthaft Gedanken darüber zumachen, ob er sich etwa in Hetty Willowby, die Schwester seines besten Freundes, verliebt hatte.
Je länger er in Rochester blieb,
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