Hochzeit zu verschenken
einmal wirkt er wie ein zehnjähriger Junge.
»Du weißt, dass das nicht stimmt«, sagt er. »Meine Mutter wollte mich zu sich holen. Es war nicht ihre Schuld.«
»Ich weiß. Tut mir Leid -« Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, aber er zieht sich jäh zurück.
« Versetz dich doch mal für einen Moment in ihre Lage, Becky. Denk mal darüber nach, was sie durchgemacht hat. Sie musste ihr Kind zurücklassen. Sie musste tapfer sein. Seit so vielen Jahren tut sie nichts anderes, als ständig ihre Gefühle zu verstecken - kein Wunder, dass es ihr manchmal schwer fällt, Herzenswärme zu zeigen. Kein Wunder, dass ihre Art auf andere etwas unbeholfen wirkt.«
Ich höre ihm zu und könnte heulen. Bei ihm passt alles so schön zusammen. Er ist immer noch der kleine Junge, der unzählige Entschuldigungen dafür findet, dass seine Mutter ihn nie besucht.
»Und jetzt bietet sich uns die Gelegenheit, endlich ein richtiges Verhältnis zueinander aufzubauen«, sagt Luke. »Vielleicht ist sie manchmal ein bisschen taktlos. Aber sie tut ihr Bestes.«
Ja, klar, will ich am liebsten sagen. Sie gibt sich ja auch so eine Mühe mit mir.
Stattdessen zucke ich kaum merklich mit den Schultern und murmele: »Ja, kann sein.«
Luke kommt auf mich zu und nimmt meine Hand.
»Komm, wir gehen wieder hoch. Wir trinken noch einen zusammen. Und vergessen, was gerade passiert ist.«
»Nein.« Ich atme tief durch. »Ich glaube, ich... gehe nach Hause. Du kannst hochgehen. Bis später.«
Auf dem Nachhauseweg fängt es an zu regnen. Große, weiche Tropfen bilden im Handumdrehen Pfützen und triefen von den Vordächern. Sie klatschen mir ins erhitzte Gesicht. Meine Haare werden nass, und meine neuen Wildlederschuhe bekommen Flecken. Aber ich nehme das alles kaum wahr. Ich bin noch viel zu aufgewühlt von dem, was heute Abend passiert ist, von Elinors berechnendem Blick, von der Demütigung, von meinem Frust wegen Luke.
In dem Moment, in dem ich die Wohnungstür öffne, donnert es. Ich mache alle Lichter und den Fernseher an und gehe die Post durch. Den Brief von Mum mache ich als Erstes auf. Mir fällt eine Stoffprobe entgegen, und der Brief duftet ganz leicht nach Mums Parfüm.
Liebe Becky!
Alles in Ordnung im Big Apple? Das ist die Farbe, die uns für die Servietten vorschwebt. Janice meint, sie sollten pink sein, aber ich finde diesen blassen Pflaumenton sehr hübsch, zumal er sehr gut zu den Blumen passen würde, die wir uns vorstellen. Aber ich möchte deine ehrliche Meinung dazu hören, Becky, schließlich bist du die Braut! Der Fotograf, den Dennis uns empfohlen hatte, war gestern hier, und wir waren alle ganz schön beeindruckt von ihm. Dad hat im Golfclub nur Gutes über ihn gehört, und das ist ja immer ein gutes Zeichen. Er kann Farb- und Schwarz-Weiß-Bilder machen, und außerdem ist in seinem Preis ein Fotoalbum inbegriffen - das finden wir ein ziemlich gutes Angebot. Und er kann aus eurem Lieblingsfoto 100 kleine Puzzles machen, die ihr den Gästen als Dankeschön schicken könnt! Wir haben ihm gesagt, dass es für uns das Wichtigste ist, dass er ganz viele Fotos von euch unter dem blühenden Kirschbaum macht. Den Baum haben wir gepflanzt, als du geboren wurdest, und insgeheim habe ich mir seitdem immer gewünscht, dass unser süßes kleines Baby Rebecca eines Tages, wenn es erwachsen ist, an seinem Hochzeitstag unter diesem Baum stehen würde.
Du bist unser einziges Kind, und dieser Tag bedeutet uns unendlich viel. Alles Liebe, Deine Mum.
Als ich am Ende des Briefes angelangt bin, weine ich. Ich verstehe gar nicht, wie ich jemals auch nur erwägen konnte, in New York zu heiraten. Ich verstehe nicht, warum ich es überhaupt zulasse, dass Elinor mir das blöde Plaza zeigt. Ich will zu Hause heiraten! Bei Mum und Dad, beim Kirschbaum, da, wo meine Freunde sind und überhaupt alles, was mir wirklich wichtig ist.
Gut, die Entscheidung ist gefallen. Morgen sage ich allen Bescheid.
»Becky?«
Erschrocken fahre ich zusammen und drehe mich um. Luke steht in der Tür, völlig außer Atem und vollkommen durchnässt. Die Haare kleben ihm am Kopf und ihm laufen immer noch Regentropfen übers Gesicht. »Becky...« Luke klingt sehr eindringlich. »Es tut mir Leid. Es tut mir so Leid. Ich hätte dich so nicht gehen lassen dürfen. Und dann habe ich gesehen, dass es regnet... Ich weiß nicht, was ich mir eigentlich dabei gedacht habe -« Er verstummt, als er mein tränenfleckiges Gesicht sieht. »Alles in Ordnung?«
»Mir geht‘s gut.«
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