Hochzeitsnacht in Acapulco
vermutlich ins Schlafzimmer führte. “Ich bringe das nur schnell weg”, fügte Joelle hinzu und lächelte befangen.
Offensichtlich war sie nicht besonders glücklich, ihn zu sehen. Er hätte an seine guten Manieren denken und anrufen sollen, bevor er bei ihr erschien. Was tat er hier überhaupt?
Als er bemerkte, wie sie auf dem Weg zum Schlafzimmer ein Kleidungsstück fallen ließ, hob er es auf. “Joelle!”
“Was ist denn?” Sie drehte sich um und zog fragend die Brauen hoch.
“Du hast das fallen lassen.” Nun erst sah er, was er in der Hand hielt: ein Nachthemd für Säuglinge. Er runzelte die Stirn. “Ich wusste gar nicht, dass du ein Kind hast.”
“Ich habe auch keines”, erwiderte Joelle und nahm ihm rasch das Hemdchen ab. “Das gehört einer Freundin. Ich mache manchmal die Wäsche für sie, um sie zu entlasten.”
“Ach so.”
“Bin gleich wieder da.”
Gabriel nickte. Bewundernd schaute er sich im Zimmer um. Joelle besaß, wie man sah, einen ausgezeichneten Geschmack. Alle Möbel waren neu, elegant und sichtlich teuer. Ja, Joelle hatte Klasse! Das hatte er sich schon gedacht, als er sie das erste Mal im Foyer des Hotels in Acapulco gesehen hatte. Damals trug sie ein schlichtes hellblaues Kostüm und schwarze Pumps, das hellbraune Haar schimmerte. Eine Klassefrau, aber überhaupt nicht mein Typ, hatte er damals gedacht.
Am folgenden Tag überraschte es ihn, zu erfahren, dass sie ebenfalls Ferien in Mexiko machte. Er hatte vermutet, sie wäre geschäftlich dort. Nachmittags unternahmen sie beide einen vom Hotel organisierten Ausflug, und erstaunt stellte er fest, wie gut sie sich auf Anhieb verstanden. Dabei unterschied sich Joelles Wesen grundsätzlich von seinem, und auch ihre Welt sich von seiner.
Ja, Joelle lebte sozusagen in einer anderen Sphäre. Das zeigte sich an ihrem schicken, modernen Apartment, das ein ganz anderes Flair als sein zeitlos schönes altes Haus hatte.
Sie brauchte erstaunlich lange, um einige Sachen wegzuräumen. Seltsam, dass ich hier stehe und auf eine Frau warte, überlegte Gabriel. Er hätte nie geglaubt, das jemals wieder zu tun. Die schlechten Erfahrungen mit seiner geschiedenen Frau hatten bewirkt, dass ihm Frauen gleichgültig geworden waren. Das hatte er jedenfalls bis vor Kurzem angenommen. Seit zwei Monaten dachte er jedoch fast ständig an Joelle. Sie war wie ein Traum – in mehr als einer Hinsicht.
Nun war sie in Reichweite, und das konnte er beinah nicht fassen. Er sehnte sich danach, sie zu berühren, aber das ließ er besser bleiben! Wenn er ihr nur flüchtig die Hand auf den Arm legen würde, wäre es um ihn geschehen.
Zur Hölle mit diesen verworrenen Gefühlen, sagte Gabriel sich. Er war nur hergekommen, um endgültig einen Schlussstrich unter die Affäre zu ziehen. Nach einer Frau in seinem Leben sehnte er sich wirklich nicht! Die machten einem nur Scherereien und Kummer, und darauf verzichtete er gern.
Schließlich kam Joelle zurück. “Entschuldige, dass ich dich habe warten lassen. Wenn du vorher angerufen hättest, hätte ich …”
“Ich weiß, ich hätte mich anmelden sollen”, stimmte Gabriel zu. “Ehrlich gesagt wollte ich es aber nicht.”
“Da ich auf deine Nachrichten auf dem Anrufbeantworter nie reagiert habe, geschieht mir das jetzt recht.”
“Warum hast du nie mit mir telefoniert?”
Sie atmete tief durch. “Ich weiß nicht genau. Wahrscheinlich habe ich es für sinnlos gehalten.”
“Verstehe.”
Sie strich sich mit der Zungenspitze über die Lippen, und Gabriel schluckte trocken. Ihr Mund war so verführerisch, dass es ihn fast um den Verstand brachte.
“Hör mal, Joelle …”
“Wir hatten uns doch geeinigt, dass wir jeder unserer Wege gehen, stimmt’s, Lafleur?”
“Richtig.”
“Und ich habe genau das getan.”
“Ich auch. Na ja, sozusagen …” Gabriel wusste nicht weiter. Welchen Grund sollte er nennen, warum er die weite Reise zu Joelle gemacht hatte? Es war idiotisch gewesen. Was wollte er überhaupt von ihr? Eigentlich doch nur, dass er endlich Ruhe vor ihr hatte. Er war wirklich ein ausgemachter Narr!
“Hättest du Lust, heute Abend mit mir essen zu gehen?”, fragte er schließlich.
Joelle runzelte zweifelnd die Stirn. “Warum bist du wirklich hier, Lafleur? Hast du mittlerweile entschieden, wir müssten doch ein Dokument unterzeichnen?”
“Dokument?”, wiederholte Gabriel, dann fiel ihm ein, dass er ihr vorgeschlagen hatte, eine Verzichtserklärung jeglicher Ansprüche
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