Hochzeitsnacht in Acapulco
Abendessen zu ihm ins Arbeitszimmer zu setzen, und selbstverständlich ging sie nicht mehr von sich aus zu ihm. Tatsächlich führten sie das getrennte Leben, auf das sie sich geeinigt hatten.
Es gab nur eine Ausnahme: An einem Tag richteten sie gemeinsam das Kinderzimmer mit den neuen Möbeln ein, und das schien Gabriel zu gefallen. Jedenfalls war er die wenigen Stunden, die es dauerte, umgänglich und verlor seine sonstige Reserviertheit.
Bald sollte Joelle zum ersten Mal die Gynäkologin konsultieren und fragte sich, ob Gabriel sich, wie ursprünglich geplant, lange genug von der Feldarbeit losreißen würde, um sie zum Arzt zu bringen. Zum einen hätte sie ihn gern bei sich gehabt, zum anderen ärgerte sie sich darüber, dass sie sich das überhaupt wünschte.
Eins war jedenfalls klar: Da es nicht viel gab, womit sie sich tagsüber beschäftigen konnte, und da sie niemand hatte, mit dem sie sich abends unterhalten konnte, fühlte sie sich zunehmend einsamer. Glücklicherweise gab es wenigstens Sadie. Joelle war für die Freundschaft und die Anleitungen der älteren Frau dankbar. Ja, Big Sadie wurde fast so etwas wie eine Mutter für sie.
Gabriel war meistens so in seine Angelegenheiten versunken – die Arbeit auf den Feldern, nach Hause kommen, schlafen gehen und früh am nächsten Morgen wieder auf den Acker –, dass er die wachsende Vertrautheit zwischen den beiden Frauen nicht bemerkte.
Als Joelle eines Morgens leise die Treppe hinunterging, hörte sie, wie Sadie in der Küche Gabriel Vorhaltungen machte wegen seines Verhaltens ihr, Joelle, gegenüber. Da sie auf keinen Fall das gute Verhältnis der beiden zerstören wollte, bat sie Sadie später, sich nicht mehr für sie einzusetzen.
“Es ist schon in Ordnung, Sadie”, versicherte Joelle der Älteren. “Wirklich. Sie brauchen sich nicht für mich starkzumachen.”
Sadie schüttelte nur den Kopf. “Gabriel sollte lieber aufwachen, bevor es zu spät ist und Sie und sein Baby nach Kalifornien zurückgegangen sind.”
“Ich habe ein Abkommen mit ihm”, erinnerte Joelle die Haushälterin. “Ich habe ihm versprochen, hier in Louisiana zu bleiben und gemeinsam mit ihm unser Kind großzuziehen. Und egal was noch kommt, ich beabsichtige, mein Versprechen zu halten.”
Traurig sah Sadie sie an. “Wissen Sie, Kindchen, mir wär’s nicht recht, wenn Sie von hier weggehen würden. Ich würde Sie schrecklich vermissen. Und ich hätte, weiß Gott, nie gedacht, dass ich das mal zu Gabriels Ehefrau sagen würde. Aber manchmal erträgt eine Frau nur ein bestimmtes Maß, und dann muss sie tun, was sie tun muss.”
Joelle runzelte die Stirn. “Ich werde hierbleiben, Sadie, egal was noch geschieht.”
Die alte Frau lächelte wehmütig. “Ich weiß, dass Sie das fest vorhaben.”
Kurz senkte Joelle den Blick, dann sah sie Sadie in die Augen. “Sadie, darf ich Sie etwas fragen?”
“Sie wissen doch, dass Sie mich fragen dürfen, was Sie wollen!”
Joelle atmete tief durch. “War Gabriel seiner ersten Frau gegenüber auch so distanziert?”
Die Frage erstaunte Sadie sichtlich. Kurz überlegte sie. “Nein”, antwortete sie schließlich. “Da war er das genaue Gegenteil. Er hat seine Frau mit Geschenken und Aufmerksamkeiten förmlich überschüttet, aber die hat sich gar nichts daraus gemacht.”
“Aha.” Joelle wurde schwer ums Herz. Sie hatte intuitiv das Richtige vermutet: Gabriels Zurückhaltung war kein Charakterzug, sondern galt allein ihr! Irgendwie hatte sie das ja schon immer gewusst, aber da sie eine erwachsene Frau war, konnte sie damit leben, oder? Richtig!
“Manchmal denke ich, dass er deswegen jetzt so unnahbar ist. Er hat Angst, wieder verletzt zu werden”, fügte Sadie hinzu und seufzte. “Na ja, höchste Zeit, sich ums Essen zu kümmern.”
“Ich gehe inzwischen ein bisschen spazieren”, verkündete Joelle.
Abends kam Gabriel von der Feldarbeit zurück und ging wie üblich zuerst nach oben, um zu duschen und sich umzuziehen. Als er danach in die Küche kam, überraschte er sowohl Sadie als auch Joelle damit, dass er Joelle den Stuhl am Esstisch zurechtrückte. Erstaunt bedankte sie sich und nahm Platz. Kurz danach behauptete Sadie, nicht hungrig zu sein, und verließ die Küche.
Gabriel versuchte tatsächlich, ein Gespräch mit Joelle zu beginnen, und fragte sie, was sie tagsüber gemacht habe. Das war schnell erzählt, da es wieder einmal ein langweiliger Tag für sie gewesen war. Gabriel überraschte sie noch mehr, als
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