Hochzeitsnacht in Acapulco
tatsächlich verheiratet! Und ganz deutlich hatte sie jetzt das Bild vor dem inneren Auge, wie sie und Gabriel aufs Bett sanken und sich hemmungslos liebten.
Ihr wurde heiß und kalt, während sie nach ihrer Handtasche griff und darin suchte. Hoffentlich finde ich keine Trauungsurkunde, dachte Joelle inbrünstig. Sich zu betrinken und mit Gabriel zu schlafen war ein Fehler gewesen und schlimm genug. Mit Gabriel verheiratet zu sein wäre eine Katastrophe.
“Hast du etwas gefunden, Joelle?” Er kam zu ihr.
“Nein, noch nicht”, erwiderte sie kurz angebunden und trat einen Schritt beiseite. Sie brauchte Abstand zu Gabriel, unbedingt. “Und du?”
“Auch noch nichts.” Er blickte ihr auf die Brüste, und ein Prickeln überlief ihre Haut.
Was sieht er mich so unverschämt an? dachte Joelle empört. Sie war schließlich nicht die einzige Person im Raum, die nicht gesellschaftsfähig gekleidet war!
Gabriel räusperte sich und fuhr sich durchs Haar. “Vielleicht bedeutet es ja, dass wir irgendwann beschlossen hatten, doch nicht zu heiraten. Oder dass wir niemand gefunden haben, der berechtigt war, die Trauung zu vollziehen.”
“Vielleicht”, bestätigte Joelle mürrisch. “Leider befürchte ich, dass mir das Glück nicht so hold ist. In letzter Zeit war mir das Schicksal nicht besonders wohlgesinnt. So betrunken, wie wir waren, haben wir möglicherweise das Dokument auf dem Weg zurück ins Hotel verloren.”
Gabriel runzelte die Stirn. Die Möglichkeit schien ihm nicht zu behagen.
Mir behagt sie ja auch nicht, dachte Joelle. Sie gab jedoch die Hoffnung nicht auf, dass sie die Sache noch klären würden und sich ohne Sorgen und großes Trara voneinander verabschieden konnten. Bestimmt erinnerte sich bald einer von ihnen wieder an alles, und dann hatte die liebe Seele endlich Ruh! Rasch durchsuchte sie die Seitenfächer der Handtasche, fand aber auch dort nichts.
“Hast du in allen Hosen- und Jacketttaschen nachgesehen?”, erkundigte Joelle sich.
“Nur in den Hosentaschen. Mein Hemd habe ich noch nicht entdeckt.”
“Hier ist es.” Mit spitzen Fingern hob sie es auf und hielt es ihm hin.
“Danke.” Lächelnd nahm Gabriel es.
“Aber gern.”
“Hör mal, Joelle, wegen letzter Nacht …”
“Vergiss es. Es war ebenso sehr mein Fehler wie deiner.”
“Schon, aber das wollte ich nicht sagen.”
“Sondern?”
“Also, der Sex … ich meine, es war schön mit dir.”
Joelle hatte es ebenfalls schön gefunden, wollte jetzt aber nicht daran denken. “Ach, ich erinnere mich an nichts”, log sie. “Und dabei möchte ich es belassen.”
“Wie du willst.” Das klang gleichgültig.
Sie sah zu Gabriel auf und konnte den Blick nicht mehr abwenden. Nach einigen Momenten wurde ihr bewusst, dass sie bei diesem Blickduell den Kürzeren ziehen würde. Was dachte sie sich überhaupt dabei, ihn so anzusehen? War sie völlig verrückt geworden?
Schließlich riss sie sich zusammen und trat einige Schritte zurück. Gabriel sah sie gequält an, während er in die Brusttasche des Hemds griff und ein gefaltetes weißes Papier herauszog. Joelles Herz schien einen Schlag lang auszusetzen. “Was ist das?”, fragte sie beklommen und stellte sich nun wieder neben ihn.
“Ich weiß nicht.” Er atmete tief durch und faltete das Papier auseinander. Es war ein einzelnes liniertes Blatt, auf dem in krakeliger Schrift das Datum des Vortags und die Worte standen: “Gabriel und Joelle, hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Unterzeichnet von José Cuervo.”
José Cuervo war der Markenname des Tequilas, den sie getrunken hatten.
Verblüfft sahen Joelle und Gabriel einander schweigend an, bis sie es nicht länger aushielt. “Was bedeutet das?”, flüsterte sie. Sie wagte nicht, lauter zu sprechen, weil sie absurderweise Angst hatte, dann würde die ganze Welt von ihrem Fehltritt erfahren.
Gabriel antwortete nicht. Schließlich stieß sie ihn an. “Lafleur, antworte mir! Was bedeutet der Wisch?”
“Ich weiß es auch nicht”, erwiderte er mürrisch und zerknüllte das Papier. Dann warf er es in hohem Bogen in den Papierkorb. “Bingo! Ab in den Müll damit, wo es hingehört. Jetzt sind wir aus dem Schneider.”
“Bist du dir sicher?” Joelle war noch immer wie vor den Kopf gestoßen von den turbulenten Ereignissen seit dem Aufwachen. Sie setzte sich aufs Bett und versuchte, sich zusammenzureißen.
“Jetzt hör mir mal zu”, begann Gabriel und stemmte wieder die Hände in die
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