Hochzeitsnacht in Acapulco
sollten wir uns so kurz und schmerzlos wie möglich verabschieden.”
“Das finde ich auch.”
Joelle wandte sich der Tür zu.
“Ach, Ames”, bat Gabriel leise. “Warte noch einen Moment.”
Sie wandte sich ihm wieder zu und zog fragend die Brauen hoch.
“Was meinst du: Haben wir geheiratet oder nicht?”
Die Frage überraschte sie, und ihr fiel zunächst keine Antwort ein. Gleichzeitig wurde ihr klar, dass sie ihn nicht so im Ungewissen lassen durfte. Womöglich befürchtete er, sie könnte eines Tages vor seiner Tür stehen und sich darauf berufen, dass sie verheiratet seien und er ihr etwas schulde. Nein, er war ihr in keiner Weise verpflichtet!
Sie war eine Karrierefrau und widmete sich ganz ihrem Beruf. Sie konnte für sich sorgen, egal unter welchen Umständen.
“Nein, wenn ich ganz ehrlich bin, glaube ich es nicht”, antwortete sie schließlich.
Er zögerte kurz. “Das ist auch meine Meinung.”
“Auf Wiedersehen, Lafleur”, verabschiedete Joelle sich. “Lass es dir gut gehen.”
“Auf Wiedersehen, Ames. Pass auf dich auf.”
Plötzlich wurde ihr seltsam schwer ums Herz. Sie atmete tief durch und wandte sich um. Rasch verließ sie das Zimmer.
Sie würde Gabriel Lafleur nicht wieder sehen – und obwohl sie es nur ungern zugab, bedauerte sie es ein bisschen.
2. KAPITEL
A bends kam Joelle nach Hause. Vor der Tür ihrer Wohnung, die in einem der oberen Stockwerke eines Hochhauses lag, atmete sie erst einmal tief durch. Dann schloss sie auf und ging hinein. Schon im Flur hörte sie das Telefon im Wohnzimmer klingeln und konnte sich denken, wer anzurufen versuchte. Ihr Vater war wirklich ein sehr hartnäckiger Mensch. Sie war jedoch nicht bereit, mit ihm zu reden. Als Erstes brauchte sie dringend ein, zwei Schmerztabletten und etwas Schlaf, danach war sie vielleicht wieder in der Lage, sich der Welt zu stellen. Für heute hatte sie aber schon genug Sorgen gehabt.
Der Anrufbeantworter schaltete sich ein, und ihre Ahnung wurde bestätigt. Sie hörte die herablassend klingende Stimme ihres Vaters, der ihr befahl, abzuheben und mit ihm zu sprechen. Der Apparat hatte etliche Nachrichten aufgezeichnet, was sie vermuten ließ, dass ihr Vater sie schon seit Tagen zu erreichen versuchte.
Sollte er es doch weiterprobieren! Sie würde sich seine Standpauken nicht länger anhören. Oh nein, nicht nachdem er sie vor seiner gesamten Belegschaft gedemütigt hatte. Er hatte es gewagt, sie von einem anderen Angestellten bespitzeln zu lassen, der ihm Berichte über ihre Arbeitsleistung zukommen ließ. Und das, obwohl sie sich stets den Wünschen ihres Vaters gefügt hatte. Nun reichte es ihr! Ab jetzt würde sie ihm nicht mehr gestatten, sie zu manipulieren. Auch als ihr Vater hatte er nicht das Recht, ihr vorzuschreiben, wie sie leben sollte.
Diesmal hatte er sie wirklich zutiefst verletzt. Er hatte sich nicht in den Ruhestand zurückgezogen und ihr die Leitung der Firma übertragen, wie er sie hatte glauben lassen, sondern aus dem Hintergrund weiterhin die Fäden gezogen. Und sie hatte gedacht, sie hätte endlich seine Anerkennung erworben! Indem er einen Spitzel auf sie angesetzt hatte, hatte er sie als Närrin dastehen lassen, und das würde sie ihm nicht verzeihen. Und sie würde nie mehr darauf vertrauen, dass ihr Vater auf ihrer Seite stand. Trotzdem war sie fest entschlossen, jetzt sogar mehr denn je, ihm zu beweisen, dass er sich in ihr irrte und sie auch ohne seine sogenannte Hilfe erfolgreich sein würde. Sie besaß Intelligenz und Durchhaltevermögen, mindestens ebenso viel, wie ein Sohn gehabt hätte.
Und nun wollte sie nicht länger über ihren Vater nachdenken. Sie hatte genug andere Probleme, und eins davon hieß Gabriel Lafleur.
Nein, über den wollte sie eigentlich auch nicht nachdenken. Leider konnte sie aber nicht damit aufhören. Genügte es nicht, dass sie am nächsten Morgen ihren Anwalt beauftragen würde, die Angelegenheit in Acapulco zu überprüfen? War ihr keine einzige Atempause vergönnt?
Anscheinend nicht. Ungebeten stellten sich Bilder von Gabriel vor ihrem inneren Auge ein. Und dasjenige, wie er sie im Lift küsste, war besonders hartnäckig.
Ein erregendes Prickeln überlief sie, und ihr stockte der Atem.
Ich begehre ihn noch ebenso sehr wie letzte Nacht, dachte Joelle bestürzt.
Wie kam es, dass sie sich an jede Einzelheit des leidenschaftlichen Zusammenseins mit Gabriel erinnerte, aber nicht daran, wie sie mit ihm die Kneipe verlassen hatte, um ihn zu heiraten?
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