Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
anschauen wollte. Alle Männer, die unaufgefordert auf den Hof kamen, würde ich ab jetzt sofort wieder nach Hause schicken.
Von draußen hörte ich, dass Pauline sich mit jemandem unterhielt. Machte etwa einer der Männer Schwierigkeiten? Ich ging hinaus in den Hof.
»Kommen Sie ruhig rein!«, forderte meine Schwester eben einen dunkelhaarigen Mann auf. Er trug eine lässige Jeans und darüber einen leichten hellgrauen Sommerpulli. Sein Teint war dunkel und deutete darauf hin, dass er viel Zeit im Freien verbrachte. Rasch revidierte ich mein Vorhaben, alle Männer wegzuschicken. Bei dem hier würde ich eine Ausnahme machen.
»Schau mal, Hanna, da ist noch ein Heiratskandidat!«, rief Pauline fröhlich. Musste sie das ausgerechnet so formulieren?
Ich steuerte auf ihn zu und war plötzlich befangen. Warum hatte ich mich vorhin nicht umgezogen? Jetzt stand ich in diesen alten unförmigen Klamotten vor diesem Prachtexemplar von Mann, der gut einen Kopf größer war als ich, und mich neugierig anschaute.
Andererseits – auch er war ohne Anmeldung gekommen, und wir waren ja auf einem Bauernhof. Ein Kleid wäre für die Feldarbeit schließlich nicht die ideale Arbeitsbekleidung.
»Hallo!«, sagte ich und streckte ihm die Hand entgegen. »Ich bin Hanna.«
Er nahm meine Hand.
»Und ich bin Alex.«
Er schaute mich mit Augen an, die noch dunkler waren als meine. Und das kam nicht häufig vor.
»Freut mich, Alex. Komm doch rein auf eine Tasse Kaffee.«
Ohne zu fragen duzte ich ihn. Den Mann mit »Sie« anzusprechen, wäre mir irgendwie nicht richtig vorgekommen.
»Wenn ich nicht störe, gerne.«
Stören tat mich momentan nur eines, und zwar die Anwesenheit meiner kleinen Schwester samt ihrem vierbeinigen Anhängsel.
Alex folgte mir in die Stube. Eilig räumte ich das benutzte Geschirr weg und schenkte uns Kaffee ein.
»Hast du auch gestern auf dem Weinfest davon erfahren?«, fragte ich, um irgendwie mit ihm ins Gespräch zu kommen. Alex war bis jetzt noch nicht sehr redselig.
»Ja, natürlich. Auf dem Weinfest.« Seine Stimme hatte einen warmen, leicht rauen Ton, der mir ein Prickeln im Nacken bescherte. Er sprach Hochdeutsch, mit einem leichten oberbayerischen Akzent.
»Ist noch Käsekuchen da?«, fragte ich Pauline, die neugierig in der Tür stand.
»Ja.«
»Holst du ihn bitte?«
Pauline verschwand in die Speisekammer und kam gleich darauf mit dem Kuchen wieder.
»Hier!« Sie stellte ihn auf den Tisch und setzte sich zu uns.
»Möchtest du?«, fragte ich höflich meinen ungeladenen, aber willkommenen Gast.
»Gerne!«
Ich schnitt ihm ein Stück ab und schob ihm den Teller hin.
»Danke.«
Ich schaute ihm dabei zu, wie er das erste Stück in den Mund schob.
»Hmm. Schmeckt ausgezeichnet.«
Ich freute mich, dass er meinen Kuchen mochte.
»Danke! Es ist ein Rezept meiner Mutter. Die hat es noch von ihrer Mutter«, plapperte ich drauflos. Das passierte immer, wenn ich nervös war. »Kommst du aus Oberbayern?«, erkundigte ich mich. »Du hörst dich nicht so an, als ob du hier aus der Gegend wärst.«
»Das stimmt. Ich komme aus der Nähe von München.«
»Und was verschlägt dich nach Halling? Bist du zu Besuch hier?«
»Mehr oder weniger.«
Inzwischen hatte er den Kuchen verputzt, lehnte jedoch ein weiteres Stück freundlich ab.
»Was für einen Hof hast du denn?«, fragte Pauline. »Einen mit Kühen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, Kühe habe ich keine.«
»Hast du Schweine?«
»Auch nicht.«
»Bist du Gemüsebauer?« Sie ließ nicht locker.
»Ja.«
»Was baust du denn an?« Anscheinend wollte meine Schwester das Gespräch jetzt alleine bestreiten. Dabei war es mir im Moment völlig egal, was für eine Art von Bauernhof er hatte.
»Naja. Karotten und Gurken und Krautköpfe und so«, erklärte er.
»Pauline, bring doch mal bitte den restlichen Kuchen zu Tante Luise rüber«, sagte ich, bevor sie ihn weiter ausfragen konnte.
»Muuuss das sein?«
»Ja, das muss sein. Und frag sie, ob sie ein paar Eier für uns übrig hat.«
Pauline war nicht begeistert über den Auftrag, verschwand aber trotzdem mit Fanny nach draußen.
»Tut mir leid, meine Schwester kann manchmal eine kleine Nervensäge sein«, entschuldigte ich mich bei ihm.
»Von nervigen kleinen Schwestern kann ich ein Lied singen«, sagte er und lächelte zum ersten Mal.
Meine Güte. Wie attraktiv der Mann war! Er war kein Schönling im herkömmlichen Sinn. Dafür waren seine Nase ein klein wenig zu groß und die
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