Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
hätte mich sicherlich viele Nächte lang nicht schlafen lassen.
An diesem Tag hatte ich gelernt, dass es gut tat, sein Gewissen zu erleichtern, und ich suchte noch heute ab und zu den Beichtstuhl auf, wenn mir etwas zu sehr auf der Seele lag.
Mein Blick schwenkte von den Beichtstühlen zu einer steinernen Predigtkanzel links von mir, die jedoch schon seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt wurde. Sie war prachtvoll verziert. Eine pummelige Putte blickte mit einem fragenden Ausdruck in meine Richtung. Wie viele Menschen hatte sie hier in dieser Kirche wohl schon gesehen, die traurig, froh, ängstlich, glücklich, verzweifelt oder einfach nur gelangweilt waren?
Der ergreifende Gesang wurde plötzlich von La Marseillaise aus meinem Handtäschchen gestört. Himmel! Ich hatte vergessen, das Handy auszuschalten. Das war mir noch nie passiert! Wie peinlich!
Rasch griff ich nach der Tasche, die mir dabei aus der Hand rutschte und zu Boden fiel. Auch das noch! Die Leute drehten sich nach mir um und schauten mich vorwurfsvoll an. Als ich das Handy endlich herausgefischt hatte, endete die Hymne, gleichzeitig mit dem Ave Maria. Perfektes Timing zum unpassendsten Zeitpunkt.
Meine Wangen glühten. Ich wagte kaum, mich umzusehen, und spürte die grantigen Blicke mehr, als dass ich sie sah.
Einzig Pfarrer Brenner hatte ein leichtes Schmunzeln im Gesicht.
Kapitel 23
Nach der Kirche gratulierte ich dem Brautpaar herzlich und entschuldigte mich zerknirscht für meinen Fauxpas. Doch die beiden waren mir nicht böse.
»Genau so etwas gehört zu den Geschichten, über die wir später einmal lachen werden, wenn wir an unseren Hochzeitstag zurückdenken«, sagte der Bräutigam grinsend. Er hieß Benjamin, hatte freundliche graue Augen und strahlte seine Natascha immer wieder verliebt an.
»Genau«, stimmte sie ihm zu, »die italienische Nationalhymne in einer bayerischen Kirche beim Ave Maria vergisst man nicht.«
Ich verkniff es mir, sie zu verbessern. Auch ihrem Mann schien die Länderverwechslung nicht aufgefallen zu sein.
Und ich freute mich, dass ich mit meinem Handyklingelton unbeabsichtigt zu einem unvergesslichen Gelingen der Hochzeitszeremonie beigetragen hatte.
Nachdem das geklärt war, suchte ich ein ruhiges Plätzchen hinter einer Kastanie und holte mein Handy heraus. Der Anruf war von Cornelius gewesen. Er hatte keine Nachricht hinterlassen. Ich versuchte, ihn zurückzurufen, doch sein Handy war aus. Verdammt. Irgendwie verpassten wir uns ständig.
Nachdem alle Hochzeitsgäste dem Brautpaar die Hand geschüttelt hatten, zogen wir zu Fuß zum Brunnenwirt, der nicht weit entfernt war. Dort gab es vor dem Wirtshaus einen Sektempfang. Mein Gelöbnis nach dem Rumtopfdebakel erklärte ich endgültig für verjährt und stieß mit dem eisgekühlten Sekt auf die frisch vermählten Eheleute an.
Plötzlich spürte ich einen Blick auf mir ruhen. Ich drehte mich zur Seite und sah Pit, der auch unter den Hochzeitsgästen war. Ein leichtes Frösteln zog über meinen Nacken. Doch er nickte grüßend in meine Richtung, als ob nie etwas gewesen wäre. Als er sich wegdrehte, stieß er mit seiner Ex Verena zusammen, die ebenfalls geladen war. Ob sich die beiden wieder versöhnt hatten? Anscheinend nicht, denn sie drehte ihm sofort den Rücken zu und betrat das Wirtshaus. Pits Blick verfinsterte sich.
Jetzt saßen wir im großen Saal, in dem vor wenigen Wochen die Kremess meiner Oma stattgefunden hatte.
Mich hatte man zwischen Tante Luise und einer Schwester des Bräutigams platziert. Gegenüber saßen Onkel Alois und Max, der heute ungewöhnlich wortkarg war. Wir hatten kaum drei Worte miteinander gewechselt.
»Ihr Klingelton ist schön. Das ist doch der Gefangenenchor aus Nabucco, nicht wahr?«, fragte meine Tischnachbarin freundlich. Tante Luise drehte sich hüstelnd zur Seite.
Ich schüttelte den Kopf und war froh, als in diesem Moment der Vater des Bräutigams mit einem Löffel an sein Glas klopfte und um Ruhe bat. Mit ein paar netten Worten begrüßte er die Hochzeitsgesellschaft und endete nach zehn Minuten mit einem Trinkspruch, den wir alle mit erhobenen Gläsern brav wiederholten.
So eine Hochzeit auf dem Land war meist eine sehr aufwändige Angelegenheit mit einem proppenvollen Programm. Nach dem dreigängigen Menu, das aus einer Hochzeitsuppe, einem Rinderbraten mit Spätzle oder wahlweise Schweinefilet mit Kroketten und Eis zum Dessert bestand, begannen die zahlreichen Hochzeitsreden.
Das war immer der langweiligste
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