Hochzeitsstrudel und Zwetschgenglück: Roman (German Edition)
womöglich hatte sie recht. Natürlich mussten Kinder nicht alles wissen, aber trotzdem sollte man ihnen nicht vorspielen, dass alles in Ordnung war, wenn das nicht stimmte. Das spürten sie. Womöglich verunsicherte man sie dadurch und schadete ihnen viel mehr, als man es mit der Wahrheit tun würde.
»Na gut …«, sagte ich und erzählte ihr die ganze Geschichte.
Pauline hörte aufmerksam zu. Als ich fertig war, holte sie einen karierten Block und einen Stift.
»Okay. Das ist blöd gelaufen. Jetzt machen wir eine Liste.«
»Eine Liste?«
»Ja. Es gibt immer irgendeine andere Lösung.«
»Du hast recht«, stimmte ich ihr zu, »es gibt immer eine andere Lösung.«
Es war unglaublich. Meine kleine Schwester hatte mich soeben aus einer tiefen Verzweiflung gezogen. Vielleicht sollte sie später einmal Psychologin werden? Sie schien sich gut in andere Menschen hineinversetzen zu können.
Eine halbe Stunde später hatten wir tatsächlich eine Lösung parat.
Ich trug immer noch das rote Kleid, als ich in den Wagen stieg. Inzwischen war es schon dunkel geworden. Fanny rannte mir hinterher und wollte unbedingt mit. Und das, obwohl Pauline nicht mitfahren würde. Ich fühlte mich geschmeichelt, dass sie mich heute Pauline vorgezogen hätte.
»Nein, Fanny, du bleibst hier«, sagte ich trotzdem. »Los, geh zu Pauline.«
Doch Fanny gehorchte nicht. Na gut. Vielleicht war es ja nicht verkehrt, sie mitzunehmen. Ich ließ sie in den Wagen springen und fuhr los. Im Rückspiegel sah ich meine Schwester, die unter der Hoflampe stand und beide Daumen nach oben hielt. Neben ihr Willy, den ich gebeten hatte, auf sie aufzupassen.
Als ich auf dem Parkplatz beim Brunnenwirt ankam, sah ich, dass im Biergarten noch ziemlich viel Betrieb war. Kein Wunder, es war eine laue Frühsommernacht.
»Du wartest jetzt besser im Wagen«, sagte ich zu meiner Begleiterin, und Fanny machte es sich auf dem Rücksitz bequem.
In der Gaststube selbst waren keine Gäste. Stefan stand an der Theke und ließ routiniert Bier aus dem Zapfhahn in die Gläser laufen.
»Servus, Stefan«, grüßte ich ihn.
»Hanna!« Er lächelte erfreut.
»Hast du Zeit? Ich würde gerne mit dir reden.«
»Das ist jetzt grad nicht so günstig. Draußen ist die Hölle los, und ich hab nur eine Bedienung heute«, sagte er, während er mit wenigen Handgriffen eine Weinflasche entkorkte.
»Es ist aber wirklich sehr wichtig. Und es dauert auch nicht lange.«
Stefan überlegte kurz. Dann stellte er die Getränke auf ein Tablett, platzierte sie für die Bedienung auf die Theke und wischte sich an einem Tuch die Hände trocken.
»Na gut. Aber wirklich nur ein paar Minuten.«
Wir setzten uns an einen kleinen Tisch in der Ecke des Gastzimmers. Ich redete gar nicht lange um den heißen Brei herum.
»Du weißt, dass ich heiraten muss, damit ich das Erbe bekomme.«
Er nickte. »Klar.«
Eigentlich hatte ich ihn ja als Kandidaten aus dem Rennen genommen, weil er mir den Namen von Alex verschwiegen hatte. Aber jetzt war er wirklich meine letzte Hoffnung geworden, und Pauline hatte nicht locker gelassen.
»Ich mache dir einen Vorschlag: Wir beide heiraten und lassen uns nach kurzer Zeit wieder scheiden. Du bekommst 50 000 Euro dafür, und jeder kann danach wieder seiner Wege gehen.«
Ich fand, das war ein fairer Vorschlag. Sicherlich musste er viele Halbe Bier ausschenken und Sülzen und Wurstsalate machen, damit ihm am Ende so viel Geld übrig blieb.
Er schien ein bisschen überrumpelt zu sein. Er wischte sich mit einem Taschentuch über die schwitzende Stirn. Plötzlich lächelte er.
»Na gut. Einverstanden.«
Einverstanden? Puh … Ich hatte nicht gedacht, dass es so einfach gehen würde, und machte innerlich einen Luftsprung – so hoch, dass ich mir den Kopf an der Decke angestoßen hätte – wenn ich tatsächlich gesprungen wäre.
»Aber ich habe eine Bedingung«, fügte er plötzlich noch dazu, und ich blieb auf halbem Weg in der Luft hängen.
»Äh, ja?«
»Wir werden ein halbes Jahr warten, bis wir die Scheidung einreichen.«
Ich plumpste zu Boden. Was? Also, das hatten Pauline und ich uns aber so nicht ausgedacht.
»Ach komm, Stefan. Bis die Scheidung durch ist, dauert es ohnehin eine Weile«, versuchte ich ihn von dieser Idee abzubringen.
»Entweder ein halbes Jahr Ehe oder wir lassen es bleiben«, sagte er bestimmt und stand auf. »Du kannst es dir überlegen.«
Doch da gab es nicht viel zu überlegen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als seine
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