Höchstgebot
einschläfern.«
»Im Körper von Sybille Wenger wurden Spuren von Pentobarbital gefunden«, sagte Micky. »Im Herzen. Und im Magen.«
Hinrichs steckte die Hände in die Jackentaschen und starrte schweigend auf die Tischplatte.
»Wir vermuten, dass Frau Wenger vor dem Brand eine Dosis in einem Getränk eingeflößt wurde«, fuhr Micky fort. »Dadurch ist sie eingeschlafen oder benommen gewesen. Anschließend hat man ihr eine Spritze direkt ins Herz gesetzt. Fünfzig Milliliter sind mehr als ausreichend, um einen schnellen Tod herbeizuführen.«
Jens Hinrichs nickte zum Zeichen, dass er die technische Vorgehensweise verstanden hatte.
»Im Körper von Sybille Wenger wurde ein Einstichkanal gefunden«, sagte Katja. »So etwas kann man sogar bei einer verkohlten Leiche nachweisen. Wussten Sie eigentlich, dass man in den Vereinigten Staaten neuerdings Pentobarbital nicht nur als Narkosemittel einsetzt, sondern auch, um die Todesstrafe zu vollstrecken?«
Jens Hinrichs blickte von Micky zu Katja und wieder zurück.
»Sind Sie sicher, dass Sie Frau Roeder das Mittel gegeben haben?«
»Ja, natürlich«, antwortete Hinrichs. »Am selben Tag, an dem ich aus Emden zurückkam.«
»Jetzt steht Ihre Aussage gegen die von Frau Roeder«, sagte Micky. »Und Sie waren der Letzte, der mit dem Wagen von Sybille Wenger gefahren ist. Saß sie vielleicht neben Ihnen? Oder lag sie im Kofferraum?«
»Nein, nein, ich war allein!« Seine Stimme erstarb.
»Vielleicht brauchen Sie ein wenig Zeit zum Nachdenken«, sagte Katja. »Soll ich die Wachbeamten rufen?«
Hinrichs blickte sich verständnislos um.
»Sie sind verhaftet und bleiben vorerst im Präsidium«, erklärte Katja.
»Bis Sie eine überzeugende Aussage zu den Fragen geliefert haben, die wir Ihnen gestellt haben«, sagte Micky.
»O nein, das kommt gar nicht infrage«, sagte Hinrichs und wiederholte seine Weigerung mehrfach. »Ich muss gleich zur Arbeit.«
»Frau Roeder kommt sehr gut ohne Sie zurecht«, behauptete Micky. »Sonst hätte sie Sie nicht in diese Situation gebracht. Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
Hinrichs nickte.
»Milch und Zucker?«
Katja schenkte Kaffee ein und schob Hinrichs die Tasse zu. Dann sagte sie: »Sie haben ja bereits erzählt, dass Ingrid Roeder die Forschungsdaten vernichtet hat. Wir wissen inzwischen auch, warum sie das getan hat. Die Daten sind wieder aufgetaucht, aber der Mord an Ihrer Kollegin Sybille Wenger … Ihr Tod lässt sich nicht mehr rückgängig machen.«
Hinrichs führte die Tasse an die Lippen und trank bedächtig.
»Sie sind unser Hauptverdächtiger, Herr Hinrichs.«
»Angenommen, ich hätte etwas mit ihrem Tod zu tun, dann würde ich doch niemals eine Nachricht in Frau Wengers Wagen hinterlegen?«
Zum ersten Mal schlich sich Unsicherheit in seine Stimme ein.
»Mit diesem Manöver haben Sie uns zunächst an der Nase herumgeführt«, gab Micky zu. »Sehr raffiniert. Sie sind ein starker Gegner. Doch Ihre ehemalige Komplizin Ingrid Roeder lässt Sie nun die Suppe ganz allein auslöffeln.«
»Ich habe keinen Mord begangen«, sagte Hinrichs. »Das widerspräche meinen Prinzipien.«
»Ich würde Ihnen gerne glauben, aber wen sollen wir denn sonst dafür verantwortlich machen? Frau Roeder vielleicht? Hat sie den Tod von Sybille Wenger auf dem Gewissen?«
Obwohl der Begriff Gewissen in seinem Leben keine übertrieben große Rolle spielen konnte, schien Jens Hinrichs allmählich zu begreifen, dass er von Micky und Katja mehr zu erwarten hatte als von seiner früheren Schutzpatronin.
»Ich bin Wissenschaftler«, wehrte er sich noch. »Ich arbeite mit überprüfbaren Fakten.«
»Wir auch!«, antwortete Katja scharf. »Und Sie können uns dabei helfen, diese Fakten aufzudecken.«
»Wie denn?«
»Indem Sie Frau Roeder dazu bringen, etwas zu sagen, das Ihre Unschuld beweist. Damit Sie nach Hause gehen können. Und zurück an Ihre Arbeit.«
Draußen fuhr ein Streifenwagen mit heulender Sirene davon.
»Sie müssen erreichen, dass sie offen mit Ihnen redet«, fuhr Micky fort. »Bei einem ungezwungenen Gespräch. Ohne dass sie misstrauisch wird. Gibt es zum Beispiel einen öffentlichen Ort, an dem Sie ungestört mit ihr reden können?«
Jens Hinrichs nickte schon, bevor Micky ihren Satz beendet hatte.
27
Jens Hinrichs bog auf einen schmalen Seitenpfad ab, der zu einer Reihe von Volieren führte. »Das ist mein Platz.« Er wies auf eine Holzbank.
Micky verstand, warum Hinrichs sich gerade diese Stelle als Rückzugsort im
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