Höchstgebot
wir. Haben wir aber nicht. Zumindest nicht so, wie es für eine Rekonstruktion nötig wäre. Wir stecken gerade komplett im Umbruch, bekommen eine neue Server-Architektur. Alle älteren Entwicklungen haben wir schon hier in der Zeppelinstraße archiviert. Aber Ingrid arbeitet drüben in Roeder West an einer ganz neuen Produktlinie. Und Roeder West ist augenblicklich der einzige Standort mit perfekter Datensicherheit. Ingrid hat aus Angst vor Industriespionage kein einziges jämmerliches Bit rausgehen lassen. In ein paar Wochen wären wir endlich so weit gewesen, die Backups zu transferieren. Zu spät. Und die Prototypen sind auch alle verbrannt.«
»Das hört sich nach mehr als einer Katastrophe an«, sagte Robert betroffen. »Wahnsinn, deine Schwester hat sich das alles gestern in Maastricht nicht anmerken lassen. Ich dachte, sie wäre nur wegen des Raubs so aufgebracht gewesen. Aber dass ihre ganze Arbeit vernichtet wurde, wirklich irre.«
»›Irre‹ ist sicher übertrieben«, Carsten stand auf und ging zum Fenster, »aber meiner Meinung nach hat sie tatsächlich ein psychisches Problem. Ich wäre allerdings der Letzte, von dem sie sich helfen ließe.«
»Hast du mit ihr gesprochen?«
»Ich habe es versucht. Aber sie hat mich nur mit Vorwürfen überschüttet.«
»Weiß man denn schon, wer den Brand gelegt hat?«, fragte Robert.
»Man hat eine Leiche gefunden. Eine Frau. War nicht mehr viel übrig von ihr. Die Polizei vermutet, dass sie den Brand gelegt hat.«
»Und wer war sie?«
»Das weiß man noch nicht.« Er kehrte wieder an den Schreibtisch zurück. »Und dann auch noch dieser Irrsinn mit dem Magritte. « In seine Stimme mischte sich Wut.
»Ingrid will mir den Raub in die Schuhe schieben.«
Robert nickte. »Sie hat es angedeutet. Der Versicherungstyp und der Käufer schienen nicht besonders überrascht.«
Carsten versank wieder in Schweigen.
»Und? Hast du?«, fragte Robert.
»Hab ich was?«
»Hast du etwas mit dem Raub zu tun?«
»Sag mal, spinnst du?«
»Du liebst dieses Bild.«
»Und was ist mit dir, Robert?«
»Okay, ich war’s. Und dann habe ich mich von meinen Komplizen auf die Schienen stoßen lassen, um den Verdacht von mir abzulenken. Tot, aber glaubwürdig.«
Carsten beugte sich vor. »Robert, ich muss wissen, wer hinter der Brandstiftung steckt. Und warum. Die Polizei konzentriert sich vor allem darauf, mir einen Versicherungsbetrug nachzuweisen. Und jetzt haut mich auch noch meine Schwester wegen der Magritte – Sache in die Pfanne. Ich brauche Hilfe. Jemand, der Entlastungsmaterial für mich sammelt. Du hast mit so etwas Erfahrung.«
Robert dachte eine Weile nach. »Du brauchst jemanden, den hier keiner kennt.« Er zog einen Zettel aus einer Acrylglasbox und notierte einen Namen und eine Telefonnummer. »Grüß sie von mir.«
»Eine Holländerin?«
»Sie kommt aus Arnheim, das ist Gelderland. Also sag nicht ›Holländerin‹ zu ihr, du willst ja auch nicht ›Sachse‹ genannt werden. Übrigens spricht sie ziemlich perfekt Deutsch. Ich warne sie dann vor, okay?«
»Vielen Dank. Ach so, meine Schwester ließ mir gestern sagen, sie würde dir vorläufig keinen Cent zahlen?«
»Sie nicht und das Auktionshaus auch nicht.«
»Und du bist total pleite.«
»Schlimmer.«
»Ich strecke dir dein Honorar vor. Immerhin habe ich dich da ja reingezogen.«
Robert wunderte sich. »Solltest du dein Geld jetzt nicht zusammenhalten?«
Carsten zog ein Lederetui aus der Schublade und begann zu schreiben. »Ich gebe dir einen Barscheck. Es muss ja niemand wissen, dass ich dir aushelfe. Am Ende würde uns das nur noch verdächtiger machen.«
Auf dem Weg nach Hause dachte Robert an Micky Spijker. Vielleicht sollte er sie mal wieder zum Abendessen einladen, jetzt, wo er diesen Scheck in der Tasche hatte.
8
»Und nun die Kurznachrichten. In Elst hat ein Mann seiner Angebeteten einen außergewöhnlichen Heiratsantrag gemacht. Er ließ sich in einem Sarg bei ihr zu Hause abliefern und jagte ihr den Schreck ihres Lebens ein, als er plötzlich heraussprang. Er wollte damit sagen: bis dass der Tod uns scheidet. In einem Unternehmen im Industriegebiet Kleefse Waard hat die Polizei Gelderland-Mitte heute am frühen Morgen eine Razzia durchgeführt. Dabei wurden sämtliche Unterlagen aus der Buchhaltung beschlagnahmt. Ein vierunddreißigjähriger Geschäftsführer wurde festgenommen, gegen den nun wegen Versicherungsbetrugs und Diebstahls ermittelt wird. Entscheidend für die Aufklärung des
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