Höchstgebot
heißt, wenn ich darf.«
»Es ist Mittagszeit.«
»Ja, die Zeit rennt.«
»Und du lädst mich nicht zum Essen ein?« Katja sah ihn ehrlich überrascht an.
»Ich hätte ja sofort.« Robert druckste herum. »Aber ich habe peinlicherweise mein Portemonnaie zu Hause vergessen.«
»O Tati, was bist du manchmal kompliziert. Komm.«
Wenig später saßen sie bei einem kleinen Klischee-Italiener an einem Zweiertisch mit rot-weiß-karierter Tischdecke. Katja hatte ihn zu Tagliatelle al Salmone überreden wollen, aber Robert nahm nur ein wenig Bruschetta.
»Ich habe dir noch gar nicht zur Beförderung gratuliert. Kriminaloberkommissarin, toll!«, sagte er.
»Ich wäre schon früher dran gewesen. Aber ich habe in Gladbach einfach keinen Fuß auf den Boden bekommen.«
»Dein Chef, wie hieß er noch? Koik? Der konnte ja wohl nicht mit selbstbewussten Frauen. Bist du darum weg?«
»Na ja, auch, aber vor allem, weil sie mich in diese Migrantenecke gesteckt haben. Immer, wenn etwas mit Türken oder Osteuropäern war, hieß es, ›schickt die Hellriegel raus‹. Die netteren Kollegen haben mich ›die Ausländerbeauftragte‹ genannt.«
»Aber wolltest du nicht deswegen zur Polizei? Damit es da Beamte gibt, die vorurteilsfreier mit Leuten anderer Herkunft umgehen?«, erinnerte sich Robert.
Katja war fünf gewesen, als sie mit ihren Eltern von Kasachstan nach Deutschland gekommen war. Als sie zum ersten Mal in seinen Zeichenkurs im Gladbacher Museum Abteiberg kam, war sie zwölf und ihr Deutsch perfekt. So hatte Robert von ihren russischen Wurzeln erst später durch die Eltern erfahren. Katja trat frech und selbstbewusst auf, aber ihre Bilder waren Welten voller Traurigkeit. Als sie das Abi in der Tasche hatte, schickte sie ihre Mappe an die Kunstakademien in Berlin, München und Düsseldorf. Überall hätte man sie genommen. Doch dann bewarb sie sich, alle überraschend, bei der Polizei.
»Aber doch nicht, indem sie immer mich vorschieben«, antwortete Katja jetzt. »Ich wollte die Polizei von innen verändern. Die Kollegen sollten begreifen, dass nicht alle Türken Dealer oder alle Russen gewalttätige Trinker sind und dass Deutschsein mehr heißen kann, als in der zehnten Generation aus Giesenkirchen zu kommen.«
»Ja, das verstehe ich. Ist es hier denn jetzt besser?«
»Gott sei Dank. Eine riesige Chance. Die Abteilung ist gerade eingerichtet worden und wir bauen sie zu dritt auf. Mein Chef ist absolut super. Wiegand kommt aus Berlin, da hat er in der gleichen Abteilung als zweiter Mann gearbeitet. Wir sind immer noch Pioniere.«
»Und das, obwohl Kunstraub und – hehlerei die zweitältesten Gewerbe der Welt sind?«
»Und trotzdem sind wir erst das vierte LKA, das eine eigene Abteilung dafür eingerichtet hat.«
»Katjachen, so unglücklich die Umstände unseres Wiedersehens sind: Ich freue mich sehr, dass du wieder bei der Kunst gelandet bist, wenn auch auf einem Umweg. Auf dich!« Robert hob feierlich seinen Rotweinkelch.
Katja stieß mit ihrem Glas Pellegrino an.
Die Zugfahrt von Düsseldorf nach Aachen hatte ihn fast zwei Stunden und eine gehörige Dosis Tramadol gekostet. Mit dem Auto hätte er die Strecke in der Hälfte der Zeit geschafft.
Jetzt saß er endlich seinem alten Studienkollegen Carsten gegenüber, der ihn aus rot umrandeten, müden Augen ansah.
»Hast du mal diesen Film mit Eddie Murphy gesehen?«, fragte er.
»Ich hoffe nicht.«
»Ich meine den, wo zwei reiche, alte Säcke eine Wette darüber abschließen, ob man aus einem Penner innerhalb kürzester Zeit einen erfolgreichen Manager und umgekehrt machen kann?«
»Ja, ich fürchte, ich habe ihn doch gesehen. Warum?« Robert schaute ihn irritiert an.
»Ich fühle mich wie dieser Manager, den sie fertigmachen. Bei mir läuft nichts ohne genaue Planung. Ich rechne alles genau durch, wäge die Risiken ab, und dann«, Carsten schaute verzweifelt aus dem Fenster, »dann wird dir der Boden unter den Füßen weggezogen und du stürzt, immer tiefer, und weißt nicht, ob da in letzter Sekunde noch irgendetwas auftaucht, an dem du dich festklammern kannst.«
»Aber was hat das alles mit dem Magritte zu tun?«
»Wieso Magritte? Jemand hat gestern Nacht unser Forschungszentrum angezündet.«
»Das ist neu für mich, sorry. Schwerer Schaden?«
»Schwer? Es ist eine verdammte Katastrophe! Zwei Jahre Arbeit umsonst. Ich weiß nicht, wie ich das den Banken beibringen soll.«
»Aber ihr müsst doch Backups haben. Und externe Server.«
»Ja, müssten
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