Höchstgebot
gegründete Einfraufirma Spijker Advies & Veiligheid .
»Komm schon«, sagte sie laut zu sich selbst. Nein, sie war nicht zur Untätigkeit verdammt, schließlich musste sie noch die Rechnung für Mondifra schreiben.
Und doch wurde sie erst am späten Nachmittag aktiv, als ihr Telefon klingelte.
»Du warst das? Mein Gott, Robert!«
Roberts Schilderung des Gemälderaubs, der Verfolgungsjagd und des Zugunglücks hatten sie aus ihrem mahlenden Gedankenstrom befreit.
»Du hattest die Hauptrolle in einem Actionfilm«, stellte sie fest.
»Nur, dass die echten Stars ein Double für die riskanten Szenen bekommen«, erwiderte Robert.
Micky merkte ihm an, wie erschöpft er war. Seine Stimme klang heiser, als habe er ein paar Nächte durchgemacht.
»Du und die niederländische Polizei«, bemerkte sie. »Das wird nie was.«
»Tja, dieser grenzüberschreitende Karriereversuch von mir gutmeinendem Deutschen brachte mich jedenfalls in Lebensgefahr.«
»Hättest du mal bloß auf deinen Opa gehört.«
Robert antwortete nur mit einem trockenen Hüsteln. Es war noch zu früh für ihre vertrauten Zweiter-Weltkrieg-Frotzeleien.
»Wie geht es dir denn jetzt?«, fragte sie.
»Ich hab ein Schleudertrauma und schlucke einen Medikamentencocktail, durch den ich wie ein Luftkissenboot durchs Leben schwebe. Ansonsten keine bleibenden Schäden. Nicht mal Schadensersatzforderungen von der Niederländischen Eisenbahn, vermute ich jedenfalls. Aber dass ich alles so optimistisch sehe, kann auch an der Medizin liegen.«
»Schön«, sagte sie. »Und sonst? Wie laufen die Geschäfte?«
»Die Ruhe nach dem Sturm, aber die kann ich gerade gut gebrauchen. Und bei dir?«
»Ich habe auch einen ätzenden Auftrag hinter mir. Aber die Rechnung ist hoch genug, um mir ein paar Tage Auszeit zu gönnen. Bist du in der Gegend? Dann könnten wir in der Stadt etwas essen gehen.«
»Nein, die Niederlande sind mir im Moment ein bisschen zu weit«, erwiderte er. »Aber ich habe ein anderes Problem, bei dem du mir helfen könntest.«
»Du weißt, dass ich nicht mehr bei der Polizei arbeite.«
»Eben darum«, antwortete er.
»Dann lass mal hören«, sagte sie und verlieh ihrer Stimme den weichen, warmen Klang von früher.
»Es hat nichts mit Sex zu tun!«, warnte er.
»Das klingt ja schon mal ganz gut.«
»Ein Freund von mir, Carsten, ist Vorstandsvorsitzender der Roeder AG , die Prothesen entwickelt und produziert. Es gibt zwei Niederlassungen in Aachen. Vorgestern hat ein Brand das Labor in Schutt und Asche gelegt, bei dem es auch einen Toten gegeben hat. Die Polizei ermittelt, aber Carsten sucht jemanden von außerhalb, der den Vorfall diskret untersucht. Er wird dich anrufen. Was hältst du davon?«
Micky schlug die Bettdecke weg und zog die Gardinen auf. Das Herz schlug ihr höher bei dieser Aussicht auf eine zweite Chance.
»Hängt davon ab, wie viel Zeit mich das kosten wird«, antwortete sie zurückhaltend, um nicht den Eindruck zu vermitteln, dass sie den Job dringend brauchte.
»Es ist ein heikler Fall«, warnte Robert. »Aber die Details soll Carsten dir am besten selbst erklären.«
»Jeder Fall ist kompliziert«, antwortete sie voller Überzeugung, was ihr nach dem Mondifra – Fiasko nicht weiter schwerfiel. »Also, wenn mich dein Carsten heute noch anruft, können wir einen Termin vereinbaren. Übrigens danke, dass du an mich gedacht hast.«
»Alte Liebe rostet nicht«, erwiderte er.
Ein Zuckergussklischee, aber sie war so erleichtert, dass sie versprach, ihm so schnell wie möglich einen Krankenbesuch abzustatten.
Bereits eine Stunde später meldete sich Carsten Roeder.
Am nächsten Tag bog sie um Viertel vor elf in die Zeppelinstraße ein und parkte ihr Auto auf dem Firmenparkplatz der Hauptniederlassung der Roeder AG.
Das u-förmige Gebäude war aus gelbem Backstein gebaut und hatte ein niedriges Dach, was der alten Fabrik aus dem neunzehnten Jahrhundert die Leichtigkeit eines toskanischen Gehöfts verlieh. Carsten Roeder erwartete sie am Eingang und brachte sie mit dem Aufzug hinauf in die oberste Etage.
Hätte Micky nicht gewusst, was die Firma produzierte, wäre es ihr spätestens durch die großformatigen Fotos klar geworden, die sich über die Wände in Carsten Roeders Büro zogen. Auf den Fine-Art-Prints waren glamouröse Models zu sehen, die ihre künstlichen Arme und Beine einem begeisterten Publikum präsentierten. Auf anderen Fotos griff eine lüsterne Männerhand nach dem glänzenden Fuß aus rostfreiem Stahl
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