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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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seit ich das letztemal hier war. Ich spürte, wie die Ungeduld der anderen wuchs. Einmal sah ich, wie PC Mayer einen Blick mit einem der beiden Männer wechselte – einem dünnen jungen Mann mit einem langen, knotigen Hals – und dann mit den Schultern zuckte.
    »Es ist hier ganz in der Nähe«, erklärte ich.

    Ein paar Minuten später sagte ich: »Wir müssen den Pfad übersehen haben.« Wir standen mitten auf dem Weg, und ich blickte mich ratlos um, als Detective Paget plötzlich in recht freundlichem Ton sagte: »Ich glaube, ein kleines Stück weiter vorn kommt eine Abzweigung. Sollen wir uns das noch ansehen?«
    Es war der richtige Pfad. Am liebsten hätte ich sie vor Dankbarkeit umarmt. Ich verfiel in einen langsamen Trott; die anderen folgten mir. Büsche streckten ihre Zweige nach uns aus, Dornen ritzten unsere Beine auf, aber das machte mir alles nichts aus. Hier waren Adam und ich damals gegangen. Diesmal zögerte ich nicht, sondern bog vom Weg ab und marschierte zielstrebig auf den Wald zu, denn ich hatte eine große Birke erkannt, die weiß und gerade zwischen den Buchen aufragte. Wir kämpften uns einen Hang hinauf. Als ich mit Adam hier war, hatte er meine Hand gehalten, damit ich auf dem glitschigen Laub nicht ausrutschte. Wir stießen auf ein Feld voller Narzissen, und ich hörte PC Mayer einen entzückten Schrei ausstoßen, als würden wir diesen Spaziergang machen, um die Schönheiten der Natur zu bewundern.
    Als wir oben angekommen waren, lichteten sich die Bäume, und es breitete sich eine Art Moorlandschaft vor uns aus. Als würde Adam neben mir gehen, hörte ich plötzlich seine Stimme aus der Vergangenheit zu mir herüberklingen: »Ein Stück Grasland abseits eines kleinen Waldwegs, weit weg von jeder größeren Straße.«
    Auf einmal wußte ich nicht mehr, in welche Richtung ich mich wenden sollte. Auf dem Foto war ein Weißdornbusch zu sehen, aber von dort, wo ich stand, konnte ich ihn nirgendwo entdecken. Ich machte ein paar unsichere Schritte. Dann blieb ich stehen und blickte mich verzweifelt um. Paget trat neben mich, sagte aber nichts, sondern wartete einfach. Ich zog das Foto aus der Tasche.

    »Das ist es, wonach wir suchen.«
    »Ein Busch.« Ihre Stimme klang ausdruckslos, aber ihr Blick wanderte hin und her. Wir waren von lauter Büschen umgeben.
    Ich schloß die Augen und versuchte, mich in die Vergangenheit zurückzuversetzen. Da fiel es mir wieder ein. »Betrachte es durch meine Augen«, hatte er gesagt.
    Daraufhin hatten wir auf die Kirche und die Felder hinuntergeblickt. »Betrachte es durch meine Augen.«
    Es war, als würde ich es wirklich durch seine Augen betrachten, seinen Schritten folgen. Rasch lief ich die moosartige Lichtung entlang, bis ich dort hinuntersehen konnte, wo wir hergekommen waren. Ich sah St.
    Eadmund’s und daneben die beiden parkenden Wagen. Ich sah die grünen Felder, und ich sah den Weißdornbusch.
    Ich stellte mich davor, wie ich damals davorgestanden hatte. Ich stand auf der lockeren Erde und betete, daß unter mir die Leiche einer jungen Frau lag.
    »Hier«, sagte ich zu Detective Paget. »Hier. Graben Sie hier.«
    Sie winkte die Männer mit den Spaten zu uns herüber und wiederholte, was ich gesagt hatte: »Graben Sie hier.«
    Ich trat beiseite, und sie begannen mit ihrer Arbeit. Der Boden war steinig, und es war offensichtlich, daß sie sich sehr anstrengen mußten. Schon nach wenigen Minuten stand ihnen der Schweiß auf der Stirn. Ich versuchte, ruhig zu atmen. Bei jedem Spatenstich rechnete ich damit, daß etwas zum Vorschein kommen würde. Aber sie fanden nichts. Trotzdem gruben sie weiter, bis sie ein ansehnliches Loch ausgehoben hatten. Nichts. Schließlich hörten sie auf und warfen einen fragenden Blick auf Detective Paget, die daraufhin mich ansah.
    »Es ist hier«, sagte ich. »Ich weiß, daß es hier ist.

    Warten Sie!«
    Wieder schloß ich die Augen und versuchte mich zu erinnern. Dann zog ich das Foto heraus und starrte auf den Busch.
    »Sagen Sie mir ganz genau, wo ich mich hinstellen muß«, sagte ich zu Detective Paget, drückte ihr das Foto in die Hand und plazierte mich neben dem Busch.
    Sie sah mich müde an und zuckte mit den Schultern. Ich stand genauso da, wie ich für Adam dagestanden hatte, und starrte sie an, als wollte sie ihrerseits ein Bild von mir machen. Sie kniff die Augen zusammen.
    »Noch ein kleines Stück nach vorn«, sagte sie.
    Ich trat einen Schritt vor.
    »Jetzt stehen Sie genau richtig.«
    »Graben Sie

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