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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Hause?

    Detective Inspector Byrne und eine seiner Kolleginnen bestanden darauf, mich in die Wohnung zu begleiten, obwohl ich ihnen versicherte, daß Adam nicht da sein und ich nur schnell meine Sachen holen und dann wieder verschwinden würde. Sie antworteten, sie müßten die Wohnung ohnehin durchsuchen. Sie hätten bereits dort angerufen, aber es sei niemand ans Telefon gegangen. Sie seien auf der Suche nach Mr. Tallis.
    Ich wußte nicht, wo ich hinsollte, aber das sagte ich ihnen nicht. Später würde ich gezwungen sein, eine detaillierte Aussage zu machen, Formulare in dreifacher Ausfertigung zu unterschreiben und mit diversen Anwälten zu sprechen. Ich würde gezwungen sein, meiner Vergangenheit ins Auge zu sehen und mich meiner Zukunft zu stellen. Ich würde versuchen müssen, mich aus dem schrecklichen Wrack meines Lebens zu befreien.
    Aber nicht jetzt. Jetzt hatte ich genug damit zu tun, benommen einen Schritt vor den anderen zu setzen und meine Worte in die richtige Reihenfolge zu bringen, bis man mich irgendwo allein lassen würde und ich endlich schlafen konnte. Ich war so müde, daß ich glaubte, jeden Augenblick im Stehen einzuschlafen.
    Detective Inspector Byrne schob mich die Treppe zur Wohnung hinauf. Die von Adam aufgebrochene Tür hing nutzlos in ihren Angeln. Meine Knie gaben nach, aber Byrne hielt mich am Ellbogen fest. Auf seinen Arm gestützt, betrat ich die Wohnung. Seine Kollegin folgte uns.
    »Ich kann nicht«, sagte ich und blieb abrupt in der Diele stehen. »Ich kann nicht. Ich kann da nicht hineingehen. Ich kann nicht. Ich kann einfach nicht.«
    »Sie müssen ja nicht«, sagte er und wandte sich an die Frau.
    »Seien Sie so nett, und holen Sie ein paar saubere Sachen für Mrs. Tallis.«
    »Meine Tasche«, sagte ich. »Eigentlich brauche ich nur meine Tasche. Da ist mein Geld drin, sonst brauche ich nichts.«
    »Und ihre Tasche.«
    »Sie ist im Wohnzimmer«, erklärte ich. Ich hatte das Gefühl, mich gleich übergeben zu müssen.
    »Haben Sie eine Familie, zu der Sie können?« fragte er mich, während wir warteten.
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich mit schwacher Stimme.
    »Kann ich kurz mit Ihnen sprechen, Sir?« Seine Kollegin machte ein ernstes Gesicht. Ihrer Miene nach zu urteilen, mußte irgend etwas passiert sein.
    »Was …?«
    »Sir.«
    Da wußte ich es. Wie eine Welle reinen Gefühls schwappte dieses Wissen durch meinen Körper.

    Bevor sie mich zurückhalten konnten, war ich schon ins Wohnzimmer gestürmt. Mein schöner Adam schwang ganz langsam an einem Seil. Ich sah, daß er ein Stück Kletterseil benutzt hatte. Gelbes Kletterseil. Ein Stuhl lag umgestoßen auf dem Boden. Seine Füße waren nackt.
    Ganz sanft berührte ich den verstümmelten Fuß. Dann küßte ich ihn, wie ich es jenes erste Mal getan hatte. Sein Körper war schon ziemlich kalt. Er trug seine alten Jeans und ein ausgewaschenes T-Shirt. Ich sah zu seinem aufgedunsenen, zerstörten Gesicht hinauf.
    »Du hättest mich getötet«, sagte ich.
    »Miss Loudon.« Byrne war neben mich getreten.
    »Er hätte mich getötet«, sagte ich zu ihm, ohne den Blick von Adam, meinem Liebsten, abzuwenden. »Er hätte es getan.«
    »Kommen Sie, Miss Loudon. Es ist vorbei.«

    Adam hatte einen Brief hinterlassen. Es war im Grunde kein Geständnis und auch keine Erklärung für sein Tun. Es war ein Liebesbrief.
    »Meine Alice«, hatte er geschrieben, »Dich zu sehen hieß, dich anzubeten. Du warst meine größte und letzte Liebe. Es tut mir leid, daß es enden mußte. Die Ewigkeit wäre zu kurz gewesen.«

    40. KAPITEL
    Ein paar Wochen später, als Adam längst beerdigt war und sich die Aufregung um seinen Tod gelegt hatte, klopfte es an der Tür. Ich ging hinunter und traf auf Deborah, die in Rock und Blazer ungewohnt schick aussah. Offenbar hatte sie einen harten Tag im Krankenhaus hinter sich, denn sie wirkte sehr müde. Wir sahen uns an, ohne zu lächeln.
    »Ich hätte mich schon viel eher bei dir melden sollen«, sagte sie schließlich.
    Ich trat beiseite, und sie ging an mir vorbei die Treppe hinauf.
    »Ich habe dir zwei Dinge mitgebracht«, sagte sie. »Das hier.«
    Sie zog eine Flasche Scotch aus einer Plastiktüte. »Und das hier.«
    Sie faltete eine Zeitungsseite auseinander und reichte sie mir. Es war ein Nachruf auf Adam. Klaus hatte ihn für eine Zeitung geschrieben, die ich sonst nicht las. »Ich dachte mir, du würdest es vielleicht gern sehen.«
    »Komm rein«, sagte ich.
    Ich holte zwei Gläser und ging dann mit

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