Höhenangst
Kombination war: Berge und Ökologie.
Es war tatsächlich wundervoll. Ich fühlte mich wundervoll. Adam war wie ein überkochender Topf gewesen, der auf dem Herd wild vor sich hinsprudelte und plötzlich auf eine gemäßigte Temperatur heruntergedreht wurde, so daß der Inhalt des Topfes nur noch leicht vor sich hinköchelte. Adams Leben waren das Bergsteigen und ich, und ein paar Monate lang war es fast ausschließlich ich gewesen. Ich hatte mich langsam zu fragen begonnen, ob ich – ob mein Körper – die Intensität seiner Zuwendung auf Dauer aushalten könnte. Ich liebte Adam, ich vergötterte ihn, ich begehrte ihn, aber es war für mich trotzdem eine Erleichterung, einfach nur im Bett zu liegen und Weißwein zu trinken, während Adam darüber sprach, wie viele Leute er mitnehmen und wann er aufbrechen wollte. Ich gab dazu keine Kommentare ab, sondern nickte nur und freute mich über seinen Enthusiasmus. Zur Abwechslung hatte das Zusammensein mit ihm mal nichts Überwältigendes, es war einfach nur angenehm und auch sehr schön, aber ich hütete mich, ihm das zu sagen.
Was mein Problem mit Adams Vergangenheit betraf, gelangte ich allmählich zu einer etwas gelasseneren Einstellung. Ich schätzte die ganze Michelle-Geschichte inzwischen als eine der Dummheiten ein, in die wir in jüngeren Jahren alle mal hineinschlittern. Außerdem hatte Michelle jetzt ein Baby und einen Mann. Sie brauchte meine Hilfe nicht. Seine früheren Freundinnen, mit denen er längere Zeit zusammengewesen war, bedeuteten für mich nicht viel mehr als die Berge, die er bezwungen hatte. Wenn ich mit Klaus, Deborah, Daniel oder einem anderen seiner alten Kletterfreunde sprach und die Rede zufällig auf eine dieser Frauen kam, blieb ich gleichmütig.
Aber es ist nun mal so, daß man sich für alles interessiert, was mit dem geliebten Menschen zu tun hat, so daß es an Selbstverleugnung gegrenzt hätte, gar nicht darauf zu reagieren. Deshalb speicherte ich alle Informationen, die ich im Lauf der Zeit aufschnappte, und begann mir im Geist ein Bild von den betreffenden Frauen zu machen und sie in chronologischer Reihenfolge zu ordnen.
Eines Abends saßen wir wieder in Deborahs Wohnung in Soho, diesmal jedoch als Gäste. Daniel war ebenfalls eingeladen. Ich hatte Adam vorgeschlagen, sein Projekt doch mit Daniels Expedition zu verbinden. Normalerweise nahm Adam von mir, was das Bergsteigen betraf, keinerlei Ratschläge an, aber diesmal wirkte er eher nachdenklich als ablehnend. Fast den ganzen Abend war er mit Daniel in ein Gespräch vertieft. Das verschaffte Deborah und mir Gelegenheit, uns von Frau zu Frau zu unterhalten.
Das Essen war einfach, es gab nur Ravioli vom Italiener gegenüber und Salat aus dem Laden um die Ecke und dazu mehrere Flaschen italienischen Wein aus gefährlich großen Gläsern. Als wir mit dem Essen fertig waren, nahm Deborah eine der Flaschen vom Tisch, und wir setzten uns damit auf den Boden vor den offenen Kamin. Sie schenkte mir ein weiteres Mal nach. Ich fühlte mich nicht besonders betrunken, hatte aber ein seltsames Gefühl, so als läge zwischen mir und dem Boden eine Matratze. Deborah streckte sich.
»Manchmal kommt es mir vor, als wären Geister in dieser Wohnung«, erklärte sie mit einem Lächeln.
»Du meinst die Leute, die früher hier gewohnt haben?«
fragte ich.
Sie schüttelte lachend den Kopf.
»Nein, ich meine dich und Adam. Hier hat alles begonnen.«
»Ich hoffe, wir haben alles in ordentlichem Zustand hinterlassen«, war alles, was ich herausbrachte.
Sie zündete sich eine Zigarette an und beugte sich in Richtung Tisch, um nach einem Aschenbecher zu greifen.
»Du bist gut für Adam«, erklärte sie.
»Bin ich das? Manchmal bereitet es mir Sorgen, daß ich so gar nicht in seine Welt passe.«
»Das ist ja gerade das Gute.«
Ich sah zum Tisch hinüber. Adam und Daniel zeichneten gerade irgendwelche Diagramme und sprachen über Tabellenkalkulation. Deborah zwinkerte mir zu.
»Das wird die glanzvollste Müllsammelaktion der Geschichte werden«, lachte sie.
Ich warf noch einmal einen Blick auf die beiden Männer, aber sie achteten nicht auf das, was wir sagten.
»Seine letzte ähm … Freundin, Lily, hatte auch nichts mit Klettern am Hut, oder? Hast du sie kennengelernt?«
»Wir sind uns ein paarmal begegnet. Aber das war nichts Ernstes. Nur eine vorübergehende Affäre. Als er aufwachte und sah, wie sie war, ließ er sie fallen.«
»Wie war Françoise?«
»Ehrgeizig. Reich. Eine
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