Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
Vom Netzwerk:
ihr offen auf die Schultern. Sie wirkte jung, hübsch und glücklich. Wir gingen sehr vorsichtig und höflich miteinander um, gaben uns aber beide große Mühe, zu unserer alten Freundschaft zurückzufinden. Ich versuchte mich zu erinnern, worüber wir geredet hatten, als es Adam noch nicht gab; wahrscheinlich über alles und nichts, beiläufig erzählte Klatschgeschichten, geflüsterte Geheimnisse, vertrauliche Albernheiten, die zeigten, wie gut wir uns verstanden.
    Damals kicherten wir viel. Oder schwiegen miteinander.
    Führten Streitgespräche oder ließen unserer Phantasie freien Lauf. An diesem Abend aber kostete es uns einige Mühe, das Gespräch in Gang zu halten, und immer, wenn eine Pause entstand, beeilte sich eine von uns, sie zu füllen.
    Nach dem Film gingen wir in ein Pub. Pauline trank Tomatensaft und ich Gin. Als ich einen Geldschein aus meiner Geldbörse zog, um die Drinks zu bezahlen, fiel das Foto heraus, das Adam an dem Tag aufgenommen hatte, als er mich fragte, ob ich seine Frau werden wolle.
    »Das ist aber ein seltsames Bild«, sagte Pauline. »Du siehst darauf aus, als wär dir ein Geist begegnet.«
    Ich schob das Foto zurück zwischen die Kreditkarten und den Führerschein. Ich wollte nicht, daß jemand anderer sich diese Aufnahme ansah – sie war nur für meine Augen bestimmt.
    Wir diskutierten ganz unverfänglich den ziemlich schlechten Film, bis ich es plötzlich nicht mehr aushielt.
    »Wie geht es Jake?« fragte ich.
    »Gut«, antwortete sie mit ausdrucksloser Miene.
    »Nein, ich meine, wie geht es ihm wirklich ? Ich will es wissen.«
    Pauline sah mich prüfend an. Ich wandte den Blick nicht ab, und ich lächelte auch nicht unverbindlich. Als sie schließlich zu sprechen begann, hatte ich das Gefühl, einen Sieg errungen zu haben.
    »Ihr beide hattet vor, Kinder zu bekommen und zu heiraten. Dann war von einem Tag auf den anderen alles aus. Er hat mir erzählt, zwischen euch sei alles in Ordnung gewesen, und das Ganze sei aus heiterem Himmel gekommen. Stimmt das?«
    Ich nickte.
    »Es hat ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Er versteht nicht, wie er sich in dir so hatte täuschen können.« Ich schwieg. »Er hat sich tatsächlich getäuscht, oder? Hast du ihn jemals geliebt?«
    Ich dachte an meine Zeit mit Jake zurück. Das alles war so weit weg. Ich konnte mich kaum noch an sein Gesicht erinnern.
    »Natürlich habe ich ihn geliebt. Und dann warst da noch du und die Clique, Clive und Sylvie und die anderen, wie eine große Familie. Ich glaube, ich habe es genauso empfunden wie Jake. Ich hab’ euch alle betrogen. Ich seh’
    das noch immer so. Inzwischen fühle ich mich als totale Außenseiterin.«
    »Genau das wolltest du doch, oder?«
    »Was?«
    »Eine Außenseiterin sein. Den heldenhaften Einzelkämpfer wählen und alles andere für ihn aufgeben.
    Eine tolle Vorstellung.«
    Ihre Stimme klang fast ein wenig verächtlich.
    »Nein, das wollte ich nicht.«
    »Hat dir schon jemand gesagt, daß du völlig anders aussiehst als noch vor drei Monaten?«
    »Nein, das hat mir noch niemand gesagt.«
    »Aber es ist so.«
    »Wie meinst du das?«
    Pauline betrachtete mich nachdenklich. Ihr Blick wurde fast hart. Wollte sie es mir jetzt heimzahlen?
    »Du siehst abgemagert aus«, erklärte sie. »Und müde.

    Nicht mehr so gepflegt wie früher. Du warst immer so gut angezogen, dein Haar hatte einen flotten Schnitt, und alles an dir wirkte ordentlich und gesetzt. Inzwischen« – sie starrte mich an, und ich war mir des blauen Flecks an meinem Hals auf unangenehme Weise bewußt – »siehst du ein bißchen … na ja, verlebt aus. Krank.«
    »Ich bin nicht ordentlich und gesetzt«, antwortete ich trotzig. »Ich glaube auch nicht, daß ich das jemals war. Du dagegen siehst wundervoll aus.«
    Pauline lächelte zufrieden.
    »Das macht die Schwangerschaft«, sagte sie mit weicher Stimme. »Du solltest es auch mal ausprobieren.«
    Adam war nicht zu Hause, als ich an diesem Abend zurückkam. Gegen Mitternacht beschloß ich, nicht länger auf ihn zu warten, und ging mit einem Buch ins Bett, konnte mich aber nicht konzentrieren, weil ich ständig lauschte, ob endlich Adams Schritte auf der Treppe zu hören waren. Um ein Uhr knipste ich das Licht aus. Ich fiel in einen unruhigen Schlaf, aus dem ich immer wieder aufwachte. Jedesmal warf ich einen Blick auf den Wecker.
    Als Adam schließlich kam, war es schon drei. Ich hörte, wie er sich auszog und unter die Dusche ging. Ich würde ihn nicht fragen, wo er

Weitere Kostenlose Bücher