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Höhenangst

Titel: Höhenangst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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nie über sie hinweggekommen. Möglicherweise war das der Grund, warum er nie über sie sprach. Vielleicht hatte er aber auch das Gefühl, von ihr gedemütigt worden zu sein. Ich schob mir das Haar hinter die Ohren und stellte fest, daß meine Hände vor Aufregung leicht schwitzten. Erneut lauschte ich. War da eben eine Tür ins Schloß gefallen? Ich schob Adeles Briefe zusammen und plazierte sie auf denen von Penny.
    Gerade wollte ich die anderen Briefe darüberlegen und auf diese Weise die Vergangenheit mit jüngerer Vergangenheit zudecken, als mir auffiel, daß Adele ihren letzten Brief auf Familienbriefpapier geschrieben hatte, als wollte sie damit ihren Status als Ehefrau betonen. Auf dem Briefkopf stand: Tom Funston und Adele Blanchard.
    Plötzlich erinnerte ich mich. Blanchard. Der Name kam mir bekannt vor.
    »Alice?«
    Ich klappte die Kiste zu und schob sie ohne das Gummiband zurück an ihren Platz.
    »Alice, wo bist du?«
    Ich rappelte mich auf. Meine Hose war an den Knien ganz staubig, und auch mein Mantel sah schmutzig aus.
    »Alice!«
    Er befand sich ganz in der Nähe und rief nach mir. Seine Stimme kam näher. So leise ich konnte, schlich ich zu der geschlossenen Tür und strich mir dabei das Haar glatt. Es wäre besser, er würde mich hier nicht finden, dachte ich.
    In der Ecke links von der Tür stand ein lädierter Sessel, auf dem ein hoher Stapel gelber Damastvorhänge lag. Ich zog den Sessel ein kleines Stück heraus und kauerte mich dahinter, um in diesem Versteck zu warten, bis Adam vorübergegangen war. Natürlich war dieses Verhalten lächerlich. Wenn er mich mitten im Raum fand, konnte ich immer noch sagen, ich hätte mich ein wenig umgesehen.
    Fand er mich hingegen hinter einem Stuhl, würde sich jede Ausrede erübrigen. Die Situation wäre nicht nur schrecklich peinlich, sondern hätte darüber hinaus unangenehme Folgen für mich. Ich kannte meinen Mann.
    Gerade wollte ich aufstehen, als die Tür aufgeschoben wurde und ich Adam in den Raum treten hörte.
    »Alice?«
    Ich hielt den Atem an. Womöglich konnte er zwischen den gestapelten Vorhängen durchsehen.
    »Alice, bist du hier irgendwo?«
    Die Tür wurde wieder geschlossen. Ich zählte bis zehn und stand auf. Dann ging ich zu der Kiste mit den Briefen zurück und nahm Adeles letztes Schreiben an mich.
    Nachdem ich die Kiste wieder zugeklappt hatte, wickelte ich das Gummiband herum. Ich wußte nicht recht, wohin mit dem Brief. Auf keinen Fall würde ich ihn in eine meiner Taschen stecken. Ich versuchte, ihn in meinen BH
    zu schieben, aber durch mein enges Rippenshirt zeichnete sich der Rand des Papiers ab. Sollte ich den Brief in meinen Slip stecken? Schließlich zog ich einen Schuh aus und versteckte den Brief dort.
    Ich holte tief Luft und ging zur Tür. Sie war abgeschlossen. Offenbar hatte Adam den Schlüssel umgedreht, nachdem er den Raum verlassen hatte. Ich stemmte mich fest gegen die Tür, aber sie gab nicht nach.
    Voller Panik sah ich mich nach irgendeinem Werkzeug um. Ich nahm den alten Drachen von der Wand, zog die mittlere Verstrebung aus dem gerippten Material und stocherte damit im Türschloß herum, obwohl ich selbst nicht genau wußte, was ich damit eigentlich erreichen wollte. Ich hörte, wie draußen der Schlüssel zu Boden fiel.

    Der untere Teil der Türglasscheibe war zerbrochen.
    Wenn es mir gelang, den zackigen Rest des Glases zu entfernen, würde ich mich hindurchquetschen können.
    Vielleicht. Ich fing an, das restliche Glas herauszubrechen.
    Dann zog ich meinen Mantel aus und schob ihn durch das Loch nach draußen. Ich zerrte einen Koffer unter das Fenster, stellte mich darauf und schwang ein Bein durch die Öffnung. Das Fenster war zu hoch. Meine Beine reichten auf der anderen Seite nicht bis zum Boden.
    Schwerfällig manövrierte ich mich durch das Loch, bis meine Zehen wieder festen Boden berührten. Ich spürte, wie sich eine Glasscherbe, die ich übersehen hatte, durch meine Jeans in meinen Oberschenkel bohrte. Ich zog die Schultern ein und schob meinen Oberkörper nach draußen ins helle Tageslicht. Was sollte ich bloß sagen, wenn jetzt jemand kam? Nun war auch das zweite Bein draußen. Ich beugte mich hinunter und hob meinen Mantel auf. Meine linke Hand blutete. Ich war überall voller Staub und Spinnweben.
    »Alice?«
    Er war noch ein gutes Stück entfernt. Ich holte tief Luft.
    »Adam?« Meine Stimme klang einigermaßen ruhig.
    »Wo bist du, Adam? Ich hab’ dich überall gesucht.«
    Nachdem ich mir den

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