Hoehenfieber
mit scharfer Stimme. „Unser Teamleiter Max Diaz steht Ihnen für alle Fragen zur Verfügung. Wir haben strikte Anweisung, keine Aussagen zu machen.“
Westham hob beide Arme und hielt seine offenen Handflächen in beschwichtigender Weise vor den Oberkörper. „Schon gut, schon gut.“ Er lächelte, doch der Ausdruck erreichte seine Augen nicht. „Das ist uns bereits mitgeteilt worden. Ich für meinen Teil bin nur an den Informationen interessiert, die zur Behandlung meiner Patienten hilfreich sind.“
„Bitte verzeihen Sie, Doctor. Auch da können wir Ihnen nicht behilflich sein. Wir danken Ihnen und dem gesamten Team, der gesamten Einheit, für Ihren Einsatz. Allerdings werden morgen sämtliche Passagiere in die Staaten geflogen. Sie haben mit Sicherheit eine hervorragende Erstversorgung geleistet, aber die Weiterbehandlung werden andere Spezialisten übernehmen. Ich glaube nicht, dass Sie mit weiteren Informationen in den verbleibenden Stunden viel erreichen können.“
„Ein wenig ist besser als nichts, oder?“
Virge sah Westham an, dass er begriffen hatte, keine weiteren Details zu erfahren. Er suchte nach einem würdigen Abgang. Virge gab ihm eine Hilfestellung.
„Auch ich möchte mich für die Rettung bedanken. Wäre es möglich, Dr. Westham, dass eine Schwester mir einen Rollstuhl und ein Telefon bringt?“
Der Arzt erhob sich. „Selbstverständlich.“ Er nickte ihnen zu und verließ den Raum.
„Wozu willst du einen Rollstuhl?“
*
Sadia konnte ihr Glück kaum fassen. Seit der Detektiv ihr mitgeteilt hatte, dass Latifa und Fatma mit einem Lazarettflugzeug auf dem Weg nach Dubai waren, fühlte sie sich leicht und voller Kraft und Tatendrang.
Zuerst hatte sie überlegt, ob es nicht besser wäre, die beiden in eine der besten Privatkliniken Europas oder der Vereinigten Staaten bringen zu lassen und mit Fadi und Alessa dorthin zu fliegen. Dann jedoch überwog ihr neu erwachter Wille.
Das Emirat verfügte selbst über eine hervorragende Privatklinik, die sich sogar im Besitz ihrer Familie befand. Um einen erneuten Eklat am Flughafen oder auch nur einen Schritt darüber hinaus zu verhindern, hatte sie mit dem Emir – einem Cousin ihrer Mutter – gesprochen. Daraufhin zog sich die Abu Dhabi Defence Force schleunigst zurück. Ohne die Unterstützung des Militärs würde es Rashad schwerfallen, noch einmal in die Geschehnisse einzugreifen.
Diese Überzeugung allein hatte ihr allerdings nicht gereicht. Sie hatte dafür gesorgt, dass es unmöglich sein würde. Ein ganzer Seitenteil der Klinik, der nur den Mitgliedern der Emir-Familie zur Verfügung stand, war für Latifa und Fatma geräumt worden. Die Dubai Defence Force bewachte das ohnehin von dicken Mauern abgeschirmte Gebäude und die Umgebung. Vor der Tür und vor dem Fenster verteilte sich eine Armee von Bodyguards.
Hier waren die Mädchen so sicher wie im Herzen von Fort Knox.
Quinn und Vanita nannten sich die beiden jetzt. Sie musste lächeln. Quinn Cummings. Ihre Tochter hatte die Geschichten nicht vergessen, die Sadia ihr als Kind erzählt hatte.
Latifa hatte ihre Mutter nicht vergessen. Tränen stiegen ihr in die Augen.
Als stetes Andenken hatte Latifa einen Namen gewählt, der sie immer an ihre Mutter erinnern musste, wenn sie ihn hörte. Sie hatte Sadia stets in ihrem Herzen mit sich getragen.
Ergriffen strich sie ihrer Tochter über das Haar. Ihr Mädchen. Warm und lebendig schmiegte sich die Wange an ihre Handf l äche. Noch schlief Quinn, es würde nicht mehr lange dauern, bis sie aufwachte. Die Ärzte hatten die Medikamentendosis herabgesetzt, nachdem alle Untersuchungen abgeschlossen waren. Latifa würde leben – und sie würde keine nachhaltigen Schäden davontragen. Jedenfalls keine körperlichen.
Ein Schatten zog durch Sadias Gedanken.
Sie schwor sich, ihre Tochter nie mehr gehen zu lassen. Obwohl sie nur ihr Bestes gewollt hatte, fühlte es sich an, als hätte sie Latifa im Stich gelassen. Latifa war stark, das wusste sie, aber sie hätte sie dennoch niemals fortschicken dürfen. Es wäre ihre Pflicht als Mutter gewesen, ihre Kinder zu beschützen und mit ihnen gemeinsam den Palazzo zu verlassen. Auf die Frage, warum sie das nicht getan hatte, warum sie die Kraft nicht aufgebracht hatte, fand sie bis heute keine Antwort – dabei quälte sie sich seit fünf Jahren damit. Sie hatte einen unverzeihlichen Fehler begangen. Wenn Latifa sie dafür verachten würde, geschähe es ihr nur recht.
Weitere Tränen
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