Hoehenfieber
Quinn keine Erschöpfung. Vielleicht würde sie dem Jetlag einfach ein Schnippchen schlagen.
Ihr Körper kribbelte vor gespannter Erwartung. Ob jemand Vanita und sie abholte? Ihre Familien würden sie nicht mal erkennen.
Planmäßig hätte der Flug um 14:40 Uhr landen sollen, sie waren eine halbe Stunde zu früh dran.
Das Terminalgebäude zog draußen an ihnen vorbei. Eigentlich hatte Quinn erwartet, das Flugzeug würde unverzüglich einen der Landestege ansteuern, doch sie ließen den Komplex hinter sich. Sie beugte sich zu Vanita, die noch schlaftrunken vor sich hinstarrte.
„Lass mich mal genauer raussehen, bitte.“
Van drückte sich gegen die Bordwand, sodass Quinn mehr Raum blieb, um dichter an das Fenster heranzurutschen. Das Anschnallzeichen war noch nicht erloschen, doch einige Passagiere standen bereits in den Gängen und öffneten die Gepäckfächer. Eine Tasche fiel hinunter und streifte Quinns Bein.
Ihr entfuhr ein erschreckter Laut. Der Treffer tat zum Glück nicht weh; und weil sie unbedingt erfassen wollte, warum sich das Flugzeug immer weiter vom Terminal entfernte, warf sie nur einen kurzen Blick über die Schulter, nickte der Frau zu, die eine Entschuldigung stammelte, und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder nach draußen.
Sie fuhren in Richtung der Hangars.
Gleich dahinter lag der Bereich, den der Chauffeur des Sheikhs stets angesteuert hatte, um sie zu dem Privatjet zu bringen. Sie stöhnte leise.
„Van, sieh mal hinaus“, forderte sie ihre Freundin auf, doch die hatte noch immer den Schlaf in den Augen stehen. „Mist! Mach schon, irgendwas stimmt hier nicht.“ Jäh stieg ihr Hitze in den Kopf, Schweißperlen bildeten sich in ihrem Nacken.
„Was denn?“, nörgelte Vanita und bequemte sich endlich, hinauszublicken.
„Siehst du es? Wir sind längst am Ankunftsterminal vorbei.“
Vanita nahm ihr die Sicht und drückte ihre Nase an die Scheibe.
„Du hast recht“, murmelte sie.
„Mist!“ Ein ungutes Gefühl bereitete ihr Schwindel. Quinn ließ sich in den Sitz zurücksacken. Mittlerweile waren auch andere Passagiere aufmerksam geworden und das bunte Stimmengewirr verschiedener Sprachen schwoll an.
Bei dem Gong, der durch die Lautsprecher plärrte, trat schlagartig Stille ein.
Eine Flugbegleiterin bat darum, die Plätze erneut einzunehmen. Der Ausstieg werde sich um einige Minuten verzögern.
„Na toll.“ Quinn verstand nicht, wieso, und ärgerte sich, dass die Stewardess die Passagiere im Dunklen ließ. Die mussten doch schließlich wissen, wo die Problematik lag.
Tief in ihrem Inneren kannte sie die beiden Gründe beim Vornamen und wollte es nicht wahrhaben.
Das Flugzeug stoppte auf einer Freifläche weitab der nächsten Gebäude. Wieder starrte Quinn aus dem Fenster. Dunst lag über der Stadt, der Himmel wirkte weiß statt blau, obwohl es keine Wolken waren, die dem Hochsommer sein kräftiges Lapislazuli raubten.
Die Turbinen gaben ihr schrilles Geheul auf und verstummten.
Auch die Passagiere wurden leiser. Wo zunächst noch aufgeregtes Geschnatter herrschte, breitete sich mehr und mehr Verständnislosigkeit aus. Viele pressten die Gesichter an die Bordfenster, andere machten merkwürdige Bewegungen mit den Armen.
Moment! Quinn verengte die Augen, um im Halbdunkel der Kabine besser sehen zu können. Dann erkannte sie es. Der Mann drei Reihen vor ihr schüttelte sein Handy, als wollte er es zum Leben erwecken. Sie schob sich in ihrem Sitz höher. Auch seitlich von ihr und weiter hinten hielten Leute Mobiltelefone in den Fingern, allerdings telefonierte niemand.
Sie zupfte am Kragen ihres T-Shirts und fächelte sich Luft zu.
„Du weißt, was das bedeutet?“, flüsterte Vanita beinahe tonlos.
Quinn nickte und schluckte. „Vielleicht ist es nicht das, was wir fürchten.“ Sie wollte die Hoffnung nicht aufgeben, dass es doch nichts mit ihnen zu tun hatte.
Vanita straffte die Schultern und Quinn sah die Gänsehaut, die ihrer Freundin über die Arme lief.
„Es ist Zeit, unsere Rollen einzunehmen.“ Als hätte sich ein Fallbeil gelöst, veränderten sich Vanitas Gesichtszüge. Wo bis gerade noch der verschlafene Ausdruck einer unbeschwerten jungen Frau stand, wandelte sich das Antlitz in eine bewegungslose Maske gekünstelten, majestätischen Hochmuts. Selbst Vanitas Bewegungen wirkten anders: geziert, dünkelhaft, einstudiert.
Allerdings sah nur Quinn das so. Beinahe jeder andere Mensch würde Attribute wie süß, niedlich, kindlich oder attraktiv nennen. Van
Weitere Kostenlose Bücher