Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Höhenrausch (German Edition)

Höhenrausch (German Edition)

Titel: Höhenrausch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildikó von Kürthy
Vom Netzwerk:
angenehm, auch einsam zu sein, sich zurückzuziehen und dazu noch traurige Musik zu hören. Dann passt das Innen zum Außen. Und wenn es dann zu regnen anfängt, dann passt auch noch das Wetter zum Befinden.
    Aber hier war der Unterschied zwischen gefühlter und realer Temperatur himmelschreiend. Zweiundzwanzig Grad, ein sternenübersäter Himmel, und in der Freiluftdisco sang Gloria Gaynor: «I am what I am, and what I am needs no excuses.»
    Ja, dachte ich, ich bin auch, was ich bin: verdammt mies drauf!
    In der ersten Nacht stellte ich dann auch noch fest, dass Erdal im Schlaf schmatzte. Wahrscheinlich signalisierte ihm sein an regelmäßige Fütterung gewöhnter Magen, dass wegen unserer späten Ankunft das Abendessen ausgefallen war.
    Genervt verließ ich das Zimmer, um mir an der Freiluftbar einen sehr alkoholischen Drink zu holen und den Mond anzuheulen. Das Rauschen des Meeres wirkte romantisierend, löste bei mir allerdings auch einen latenten Harndrang aus.
    Ach, ich wäre in diesem Moment wahnsinnig gerne glücklich gewesen.
    Stattdessen sah ich deprimierend viele flirtende Menschen. Frauen schmissen ihren Kopf in den Nacken und fuhren sich durchs Haar. Hände berührten sich wie unabsichtlich, und Knie stießen aneinander. Die Frau neben mir am Tresen fragte ihren Begleiter, ob er Lust auf einen Spaziergang am Strand habe.
    «Hervorragende Idee. Ich bin in zwei Minuten wieder da.»
    Die Frau sah mich verschwörerisch an.
    «Der geht Kondome holen. Du bist so käsig. Heute erst angekommen?»
    «Mmmmh.»
    «Dann kannst du dich auf was gefasst machen. Wenn du hier keinen abschleppst, dann schaffst du’s nirgendwo. Hier geht alles. Ich hab’s auf sechs Kerle in fünf Tagen gebracht. Und noch ein guter Rat umsonst: Keinen Sex auf den Liegen, die auf der Sonnenwiese stehen. Da wirst du nass, wenn nachts die Rasensprenger angehen.»
    Sie schlenderte Richtung Strand und schwenkte dabei ihr ausladendes Hinterteil, als wolle sie möglichst viele Stehtische damit umschubsen.
    Das fand ich bewundernswert. Eine Problemzone ist eben nur dann eine Problemzone, wenn man sie selbst als solche empfindet. Ich beschloss, ab sofort all meine Problemzonen zu Naturschutzgebieten zu erklären. Probehalber streckte ich die Brust mal etwas raus. Es wirkte sofort.
    Mit gewinnendem Lächeln kam ein Mann auf mich zu. Erst dachte ich natürlich, er meinte jemanden hinter mir, aber da ich am Tresen stand, konnte hinter mir eigentlich nichts mehr zum Anlächeln kommen.
    Er sah okay aus. Wenn er jetzt nicht Schwäbisch oder Sächsisch sprach, wäre das für den ersten Abend ein Achtungserfolg.
    «Guten Abend, ich würde dich sehr gern auf einen Drink einladen, aber leider ist hier ja alles umsonst.»
    «Dann gib mir doch einfach das Geld.»
    Mist. Wieder völlig unfein und unerotisch reagiert.
    «Solange ich mehr verdiene, mag ich Frauen mit Humor.»
    Wie nett und wie selten: ein Mann mit Selbstironie. Wir unterhielten uns zwei Wodka Lemon lang – und das nur über mich! Hat man so was schon erlebt? Ein Mann, der Fragen stellt, der Antworten hören will. Der nicht daran interessiert ist, sich darzustellen, und von dem du nach einer halben Stunde noch nicht weißt, was für berufliche Heldentaten er jeden Tag vollbringt, wie viele Frauen er haben könnte und was er alles anders machen würde, wenn er Kanzlerin wäre. Ich war relativ hingerissen.
    «Du bist wirklich eine spannende Frau», sagte er und schaute mir tief in die Augen. Ich fand, er könnte mir allmählich auch mal ins Dekolleté schauen.
    «Ich denke, du könntest genau die Richtige sein.»
    «Darf ich fragen, wofür?», sagte ich möglichst lasziv.
    «Ich bin Journalist und recherchiere hier eine Reportage über Singles. Ich würde dich gerne zu deinen Club-Erfahrungen interviewen.»
    War das zu fassen? Hier waren Hunderte paarungswillige Männer, die alle nur das eine wollten. Und der Einzige, der nicht das eine will, hat sich dafür ausgerechnet mich ausgesucht.
     
    «Sieh das nicht so pessimistisch», versuchte Erdal mich am nächsten Morgen aufzuheitern. «Im Grunde ist es doch viel schmeichelhafter, angesprochen zu werden, weil man interessant aussieht statt rattenscharf. Wie bist du mit dem Herrn verblieben?»
    «Ich hab gesagt, ich überleg’s mir bis heute Abend.»
    «Bis dahin haben wir einiges vor. Ich habe schon den Tagesplan studiert und uns für den Einsteigerkurs Bogenschießen angemeldet. Am Nachmittag machen wir bei Aqua Fit mit. Wassergymnastik ist

Weitere Kostenlose Bücher