Höhenrausch (German Edition)
Single-Dasein trenne.
Wenn ich vorm Einschlafen einen schwachen Moment habe und jemanden neben mir vermisse, tröste ich mich sehr wirkungsvoll mit dem Gedanken, dass diese Person vermutlich gerade Unterleibsbeschwerden hätte oder kalte Füße oder Ärger im Büro. Und dann würde ich wieder eine schlaflose Nacht verbringen mit der Diskussion von Problemen, die nicht meine eigenen sind.
Es muss schon viel zusammenkommen, damit ich mir diesen ganzen Stress wieder antue. Es ist so wahnsinnig mühsam, einander kennen zu lernen und sich zu erklären mit all den Angewohnheiten und Aversionen, die man so hat.
Ich kann nicht einschlafen mit einem Paar tiefgefrorener Fremdfüße zwischen meinen Schenkeln. Und nein, ich will nicht am Flughafen abgeholt werden, schon gar nicht mit lautem Gekreische und einem Zungenkuss. Ich will auch nicht «Purzelbäckchen» genannt werden und mich nicht rechtfertigen müssen, dass ein Fußballspiel wichtiger sein kann als ein Jahrestag.
Die Vermittlung solcher Botschaften dauert in Partnerschaften leider oft Jahre. Und wenn dann endlich Ruhe eingekehrt ist, heißt es plötzlich: Aus unserer Beziehung ist irgendwie die Luft raus.
Partnerschaft ist mühsame Arbeit – auch ohne dass einer der beiden Beteiligten bereits vergeben ist. Natürlich werde ich dich trösten, wenn du die Sache gegen die Wand gefahren hast. Dazu sind wir halbfest kochenden Kartoffeln ja da.
Viele Grüße
Andreas
Johann Berger, meine ganz persönliche, kleine Verkehrssünde, redet immer noch. Ich erfahre gerade, wie wichtig Sport für die mentale Balance ist und dass er jeden Sonntag bei sich zu Hause durch den Wald joggt.
Bei sich zu Hause. Bäh!
Ich finde, ich war lange genug zurückhaltend. Wir kennen uns schon vier Wochen, und ich habe ihn noch nie gebeten, zwei, drei Tage mit mir wegzufahren oder wenigstens mal zum Frühstück zu bleiben. Ich sage ihm nicht, dass ich in ihn verliebt bin, und frage nicht, ob er seine Frau noch liebt.
Vorbildlich.
Jetzt muss aber mal was passieren. Ich werde ihn fragen. Sofort. Nach Rouladen und Sex ist der Zeitpunkt günstig.
«Wollen wir nächste Woche zusammen ins Kino gehen?»
Johann Bergers Monolog bricht abrupt ab. Er schaut mich so überrascht an, als läge nicht ich neben ihm im Bett, sondern ein Diktaphon, das ihn gerade um ein Wiedersehen gebeten hat.
«Schade, Linda, aber das geht leider nicht. Ich bin nächste Woche erst in Frankfurt, dann in Hamburg, um Neukunden zu akquirieren.»
Immerhin sieht er aufrichtig zerknirscht aus.
«Ich bin nächste Woche auch in Hamburg, weil ich Erdal versprochen habe, ihm bei der Veranstaltung zu helfen. Vielleicht können wir uns treffen?»
«Das ist leider ganz schlecht. Ich reise nicht allein und habe gesellschaftliche Verpflichtungen, verstehst du? Ich werde aber zwischen Weihnachten und Silvester drei Tage in Berlin sein. Und jetzt muss ich langsam los. Es tut mir Leid, aber mein Sohn ist krank, und ich habe meiner Frau versprochen, dass ich nochmal anrufe, bevor ich ins Bett gehe.»
Na bravo, das ist ja wirklich bombig gelaufen! Ich fühle mich, als wären sein Sohn und seine Frau gerade zu uns ins Bett gekrochen. Hätte ich doch bloß nichts gesagt. Das hat man davon, wenn man sich nicht an die Regeln hält. Wer mehr zu verlieren hat, hat eben auch das Sagen. Der Betrüger bestimmt das Tempo, nicht die Komplizin. Ich gehe kein Risiko ein. Ich kann auch niemanden verletzen. Außer mich selbst.
Während ich mich noch frage, wie ich die bevorstehende Weihnachtszeit überleben soll, höre ich mich betont locker sagen: «Alles klar, dann lass uns einfach telefonieren, wenn du wieder im Lande bist.»
Ich spüre seine Erleichterung. Er lächelt mich an, und seine Augen werden größer. Puh, das ist nochmal gut gegangen. Die Geliebte bleibt bequem. Keine weiteren Fragen. Noch nicht. Wir fürchten beide den Tag, an dem einer von uns die Frage stellt: «Wie soll es denn mit uns weitergehen?» Unschwer zu erraten, wer von uns beiden es sein wird.
«Sobald du ihm eine Szene machst», hatte Silke gesagt, «habt ihr keine Affäre mehr, sondern eine Beziehung. Und die wird nicht lange dauern.»
Er küsst mich dankbar und sagt: «Das war wieder mal sehr schön, Kleines.»
Immerhin lässt er keine Geldscheine auf meinem Nachttisch liegen.
«Kleines» fühlt sich gerade sehr klein.
Schon wieder ein Mann, der mich «Kleines» nennt. Warum sagen Männer das? Um sich selbst größer zu fühlen oder was?
Ich habe
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