Höhenrausch (German Edition)
ihren sechs engsten Freundinnen erzählen. Und Männer könnten das, worüber sie nicht reden wollen, friedlich mit ihrem Kumpel beim Bierchen nicht besprechen und sich anschließend total verstanden fühlen.
«Wenn du mich fragst, war Andreas’ Beziehung schon vorher im Eimer. Ihre Affäre war nur der endgültige Auslöser. Andreas war schon länger nicht mehr glücklich. Habt ihr eigentlich schon darüber gesprochen, wann ihr eure Wohnungen wieder tauscht? Für mich wäre es gut, wenn Andreas bald wieder in Berlin ist.»
«Wir wollen das nach Silvester entscheiden.»
«Und, bist du so weit zurückzugehen?»
«Ich glaube schon, aber ich will nicht mehr.»
«Wegen des anderen?»
In derselben Sekunde wird Spilz von einem Mädchen auf die Tanzfläche gezogen.
Ich hätte nicht gewusst, was ich antworten sollte.
«WENN EINE FRAU SCHWEIGT, WILL EIN MANN AUF KEINEN FALL WISSEN, WARUM. EIN NATURGESETZ»
«Das war sehr schön, Kleines.»
Ich schweige. Und tue etwas, was ich viel zu selten tue: Ich frage mich zur Abwechslung mal, ob ich es eigentlich auch schön fand. Ging so, ehrlich gesagt. Ich fand mich überzeugender als ihn.
Meistens bin ich mehr damit beschäftigt zu gefallen, als Gefallen an etwas zu finden. Meistens bin ich mehr damit beschäftigt, auf jemanden wirken zu wollen, als mich zu fragen, wie jemand auf mich wirkt. Ich habe größere Sorge, langweilig zu sein, als mich zu langweilen. Und ja, ich habe auch schon mal meine Körperfett-Waage mit in den Urlaub genommen. Und ich gebe zu viel Geld aus für Cremes, die ewige Jugend versprechen, und ich habe ständig kalte Füße. O Mann, ich bin so typisch Frau.
Im Übrigen entsprechen auch die meisten Männer, die ich kenne, den gängigen Klischees. Irgendwie auch beruhigend. Ich fühle mich geborgen auf dieser Welt, wenn ich sehe, wie der Bus einem Mann vor der Nase wegfährt, weil er seinen Schritt nicht in einer eines wahren Mannes unwürdigen Weise beschleunigen wollte. Männer rennen nicht, es sei denn um die Wette.
Ich hingegen sprinte schon aufgeregt los, wenn sich bei der Überquerung einer Landstraße aus einigen hundert Metern Entfernung ein Trecker nähert. Sicher ist sicher, sage ich mir.
Männer fragen auch niemals und unter gar keinen Umständen nach dem Weg. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele kostbare Stunden im Leben von gut ausgebildeten Frauen verschwendet werden, weil sie zur Tatenlosigkeit verurteilt auf Beifahrersitzen festgeschnallt sind, während eine gepresste Kopfstimme neben ihnen immer wieder Sätze formuliert wie: «Wir sind gleich da», «Dahinten muss es sein» oder «Die haben das auf der Karte falsch eingezeichnet.»
Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Moses nur deshalb geschlagene vierzig Jahre auf der Suche nach dem Gelobten Land war, weil er nicht nach dem Weg fragen wollte.
Letztendlich sorgt es nur für Irritationen, wenn Männer sich anders verhalten, als man es seit Jahrtausenden von ihnen gewohnt ist.
Silke zum Beispiel war mal mit einem Typen zusammen, der sich bei schaurigen Szenen im Kino immer erschrocken an sie klammerte. Er fragte Passanten bereits nach dem Weg, wenn er sich noch gar nicht verfahren hatte, bekam bei Vollmond Kopfschmerzen und benutzte die gleiche Heizdecke wie ich.
Silke trennte sich alsbald. Der Typ hat sehr geweint und ihr noch etliche Gedichte hinterhergeschrieben.
Der Mann neben mir ist nicht emanzipiert, da brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Bei dem stimmen die Klischees. Er ist gerade sehr zufrieden mit sich und geht davon aus, dass ich es dann ja wohl auch sein muss.
Er setzt sich auf und zündet sich eine Zigarette an.
«Seit wann rauchst du denn wieder?», frage ich.
«Nur zu besonderen Anlässen. Du hast mir so wahnsinnig gefehlt, Linda.»
Lieber mal weiterschweigen, denke ich. Natürlich hat er mir auch gefehlt. Aber es ist verdammt viel passiert in der Zwischenzeit.
Er ist völlig überraschend gekommen, und ich hatte keine Zeit gehabt, die Wohnung durch Beseitigung typisch weiblicher Gegenstände auf typisch männlichen Besuch vorzubereiten. Mein Jogging-BH liegt neben der neuen «Petra» mit dem Titelthema «Single-Weihnachten: So wird’s trotzdem ein schönes Fest!», und auf meinem Nachttisch steht eine Handcreme gegen Pigment- und Altersflecken.
Einigermaßen unangenehm ist mir auch der Ausblick auf das «Brigitte»-Fitness-Poster, das ich mit Tesafilm an die Wand gegenüber vom Bett geklebt hatte – zu Motivationszwecken. Das
Weitere Kostenlose Bücher