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Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo

Titel: Hoehenrausch und Atemnot - Mein Weg auf den Kilimandscharo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Kaul
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schaffen den Abstieg nur auf Träger gestützt.
    Fast ein bisschen übermütig gehe ich die ersten Kilometer an. Ich spüre keine große Anstrengung und kann mich deshalb auch ausgiebig meinem Job widmen: für das Fernsehen Menschen begleiten, sie beobachten und mit ihnen reden.

    Silvia und Günther werden meine ersten Begleiter; ich erlebe, wie sie auf dem ersten Wegabschnitt ihre Atemtechnik kontrollieren, und schon entsteht in unserer Gruppe ein kleiner Theoriestreit darüber, was jeder Einzelne bei den häuslichen Vorbereitungen für sich trainiert hat. Wie viel Schritte, wann Atem holen? Silvia und Günther beteiligen sich selbst nur kurz an diesem Disput; sie sind mehr mit der Technik beschäftigt, die sie um ihre Handgelenke tragen: technische Wunderdinge, die jederzeit Auskunft darüber geben, wie es mit Pulsfrequenz und Blutdruck aussieht, wie viele Kilometer sie schon geschafft haben und wie viele Höhenmeter noch vor ihnen liegen. Ich lasse mir, während ich neben den beiden herlaufe, die Hightech-Geräte genau erklären. Jetzt weiß ich auch, warum Silvia und Günther auf dem Weg immer wieder kurz stehen bleiben; zudem habe ich gelernt, dass es guttun soll, schon jetzt das eine oder andere isotonische Getränk zu konsumieren.
    Ein wenig verwundert führe ich, der 67-Jährige, kurz eine Art Gewissenserforschung durch: Ich prüfe, ob ich das »Abenteuer Kili« im Vergleich zu den beiden vielleicht nicht ernst genug genommen habe. Nach einigem Hin und Her entscheide ich mich bei meinem inneren Dialog für ein schiedlich-friedliches: »Man wird sehen.«
    Ein Stündchen später - bei der ersten Rast - höre ich mich dann noch eimal in der größeren Gruppe danach fragen, wie es bei den Einzelnen mit den Motiven für das Experiment Kilimandscharo aussieht. Es geht allen noch so gut, alle sind noch so widerstandsfähig gegenüber jedweder Reporterfrage nach dem Warum, dass fast einhellig eine Meinung vorherrscht: Einmal
eine Herausforderung bewusst annehmen, sie bestehen und dann, beim Sonnenaufgang am fünften Tag, auf dem Gipfel des Kili stehen - das belohne bestimmt für alle Anstrengungen! Mehr sei da nicht dahinter.

Enge, Nässe, Kälte
    Der tropische Regenwald, durch den wir fast die ganze Strecke bis zur Mandara-Hütte gehen, hat es in sich. Hinter jeder Wegbiegung erwarten uns neue Überraschungen: Moose, Flechten, Baumfarne, jede Pflanze duftet anders, dazwischen ein kurzer Stopp, die Kameras werden hochgerissen, weil sich zwei oder drei Affen akrobatisch von Ast zu Ast schwingen. Eine Wegstrecke zum Schauen, Riechen und ein wenig Dahinträumen - so könnte es eigentlich weitergehen.
    Als der Regenwald lichter und durch eine Heidelandschaft abgelöst wird, erfährt die Gruppe, dass es nun bis zum Ziel des ersten Tages, der Mandara-Hütte, nicht mehr weit sei. Damit fängt für einige Mitglieder der Gruppe der Zwang zur Umstellung ihrer Lebensgewohnheiten an: In der spartanisch eingerichteten Hütte geht es eng zu, sechs bis acht Menschen schlafen in Doppelstockbetten in einem Raum, der nur so viel Platz bietet, dass allein der Weg zum eigenen Schlafplatz ein Hürdenlauf über die Ruck- und Packsäcke der anderen wird.
    Eng geht es auch im Speiseraum zu, in dem sich die verschiedenen ausländischen Wandergruppen dicht an dicht drängen. Essen nach Plan, erfahrene Bergwanderer stört das nicht weiter,
Kili- und Bergneulinge sind ein wenig irritiert - auch darüber, wie bescheiden das kleine Hüttendorf mit Wasser und Toiletten ausgestattet ist. Angela aus Hamburg verleiht ihrem Protest lautstark Ausdruck: Ja, wenn man ihr das vorher erzählt hätte...! Mich selbst quält die Frage nach Komfort und Unzulänglichkeiten auf 2700 Metern noch nicht sonderlich; ich bin voll damit beschäftigt, mit dem Mikrofon in der Hand die ersten Stimmungseindrücke unserer Gruppe zu sammeln. Dass es draußen inzwischen zu regnen angefangen hat und gleichzeitig unangenehm kalt geworden ist, spüre ich bei einem kleinen Abstecher zur Toilette. Nur mit der Stirnlampe lässt sich zumindest die grobe Richtung ausmachen, in die ich zu gehen habe, über nasses Gras nämlich und rutschigen Lehm. Ich ertappe mich bei einem Gedanken, den ich auch in den nächsten Tagen immer wieder haben werde - wie ich den Weg bei der Kälte und Nässe denn erst in der Nacht finden soll - und muss mich richtig dazu zwingen, dieses nervtötende Was-wird-später-erst-sein wieder aus dem Kopf zu bekommen.

Der erste gemeinsame Abend
    Zum unerwarteten

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